Ist-Einstellung einer Steuerhinterziehung

Ein Steuerstrafverfahren ist für den Unternehmer stets eine außergewöhnliche Belastung. Der Vorwurf einer Steuerhinterziehung löst oft Existenzängste aus.
Denn in jedem Unternehmen gibt es Problemzonen, die von den Steuerfahndern anders betrachtet werden als von den Steuerpflichtigen.
Diskussionen über diese unterschiedliche Perspektiven möchte man daher gern vermeiden.
Wenn es die Sachen aber erst einmal auf dem Tisch der Bußgeld- und Strafsachenstelle liegt, gibt es immer erheblichen Erklärungsbedarf und oft zahlreiche schlaflose Nächte.
Der Fall
In diesem Fall konzentrierte sich der Vorwurf auf die Frage, ob mein Mandat nach vereinnahmten (Ist-Besteuerung) oder vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) umsatzsteuerlich zu behandeln war. In concreto ging es um einen mittleren fünfstelligen Betrag. Den hatte der Mandant nicht gezahlt, nach Ansicht des Finanzamt aber hätte zahlen müssen.
Bereits im letzten Jahrhundert(!) hatte der damalige Steuerberater meinen Mandanten als Ist-Besteuerer und mit der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Einnahme-Überschuss- Rechner (EÜR) angemeldet.
Das Problem …
… bestand heute darin, dass der Mandant dies nicht mehr durch entsprechende Urkunden belegen konnte. Da zwischenzeitlich zweimal die Zuständigkeit des Finanzamts gewechselt hatte, gab es auch auf dieser Seite keine Unterlage für das „Privileg“ der Ist-Besteuerung.
Aber seit dieser Zeit waren in der jeweiligen Umsatzsteuererklärung jeweils die gleichen Umsätze und Umsatzsteuern der EÜR enthalten, auch dann, wenn offene Ausgangsrechnungen vorhanden waren. Reklamationen der Finanzverwaltung hat es jedoch in dem gesamten Zeitraum nicht gegeben.
Das Argument
Argumentativ abzustellen war also auf die seit jener Zeit gelebte Wirklichkeit und steuerliche Praxis, auf deren Richtigkeit mein Mandant vertrauen durfte. Vorsätzliches Verhalten war ihm jedenfalls nicht vorzuwerfen. Nach meiner Ansicht handelte mein Mandant noch nicht einmal fahrlässig, aber darauf kommt es schon nicht mehr an.
Das Ergebnis
Nach reichlich kleinteiliger Vorarbeit habe ich mit Unterstützung der aktuellen Steuerberaterin alle Argumente in eine umfangreiche Verteidigungsschrift gegossen – die am Ende dann auch maximal erfolgreich war: Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Auf diese zweieinhalb Zeilen hat der Mandant viele Monate warten müssen. Dies war eine Zeit, in der er sehr unter dem offenen Verfahren und der damit verbundenen Unsicherheit gelitten hat.
Die Folgen
Auf den Kosten für seine Verteidigung bleibt er nun sitzen. Genauso wie auf der nachhaltigen Läsion seines Nervenkostüms. Ein Steuerstrafverfahren ist etwas, das man selbst der klassischen Schwiegermutter nicht an den Hals wünschen möchte.
Bild: Jörg Zägel via Wikipedia (CC BY-SA 3.0)
3 Kommentare
Das Finanzamt… ich meine, vermutlich hat der Mandant die fragliche USt. dann doch eh 2019 gezahlt (1), als er die seinerseits die Rechnung bezahlt bekommen hat… alleine deshlab wird man doch schon kaum von einer Hinterziehung reden könne, oder?
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(1) Oder der Kunde (ich rate mal: Baugewerbe?) hat halt nicht gezahlt wegen Konkurs o. ä., aber dann hätte es auch bei Soll-Besteuerung eine Umsatzkorrektur gegeben und eine entsprechende Verrechnung/Zurückzahlung
Eine Saldierung zwischen den Jahren ist unzulässig (Abschnittbesteuerung), hilft dem Strafverteidiger allenfalls beim Ausdealen des Strafmaß‘ (bzw. um zum § 153a StPO zu kommen).
Kein Baugewerbe, sondern etwas sehr außergewöhnliches, deswegen verrate ich es nicht. crh
Steuerhinterziehung (leichtfertige Verkürzung) liegt bei Anmeldesteuern schon dann vor, wenn zwar in richtiger Höhe aber z.B. verspätet angemeldet wird.
Wenn dann also für das 4. Quartal oder den Dezember des Jahres die zum 31.12. bestehenden Forderungen im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung unberücksichtigt bleiben und das auch im Nachgang nicht berichtigt wird (Jahreserklärung) und man Soll-Versteuerer ist der objektive Tatbestand erfüllt.
Genau aus solchen Gründen verlagern Unternehmer ihre Firmen nach Zypern, Georgien usw., denn dort gibt es solche Auswüchse schlichtweg nicht.
Das hiesige Beispiel ist ja noch harmlos.