Kein Deal, sondern Verhandlung

In einer Bußgeldsache sollen Vorfälle aus dem Jahr 2015 gerichtlich geklärt werden. Es geht um zwei Bußgeldbescheide mit insgesamt 20 Fällen, die das Amtsgericht vor erhebliche Probleme stellt.
Das Hauptzollamt wirft meinem Mandanten vor, für insgesamt 20 Arbeitnehmer die nach § 28a Abs. 4 Satz 1 SGB lV erforderliche Meldung
(Sofortmeldung) an die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung nicht abgegeben zu haben.
Wegen dieser Verstöße wurden gegen meinen Mandanten gemäß § 111 Abs. 4 SGB lV in Verbindung mit §§ 9, 65, 35 und 17 OWIG 20 Geldbußen jeweils im unteren vierstelligen Bereich festgesetzt.
Hemdsärmelige Ermittlungen
Der Zoll hat jedoch nur recht hemdsärmelig in dem Logistikunternehmen meines Mandanten und im Umfeld ermittelt. Die Ergebnisse der Ermittlungen sehen entsprechend aus.
In einem ersten Durchgang vor dem Amtsgericht im Jahr 2018 (!) stellte das Gericht nach entsprechenden Hinweisen der Verteidigung fest, dass an den Vorwürfen hinten und vorne wenig bis gar nicht passte.
Mit meinem Vorschlag, dass sich alle Beteiligten in Frieden trennen und das Gericht das Verfahren schlicht nach Opportunitätsgrundsätzen einstellen sollte, bin ich nicht durchgedrungen.
Das Verfahren wurde erst einmal ausgesetzt und die Zöllner haben ein paar heftige Hausaufgaben mitbekommen.
Ein unanständiges Angebot
Nun will das Gericht, nach gut zwei weiteren Jahren, die Sache endlich vom Tisch bekommen. Der Richter meldete sich wieder bei mir und schlug mir bzw. meinem Mandanten einen (an sich unständigen) Deal vor: Er solle einen Teil der Vorwürfe einräumen, dann würde der andere (größere) Teil abgetrennt und eingestellt. Insgesamt sollte es dann eine überschaubare Geldbuße werden.
Damit war jetzt mein Mandant nicht mehr einverstanden. Der Richter reklamierte, dass er aber mindestens 20 Zeugen – die vermeintlichen Arbeitnehmer meines Mandanten – laden und vernehmen müsse.
Auslandszeugen
Das soll nun nicht mein Problem oder das des Mandanten sein. Für das Gericht wird es aber eines werden, das nicht zu lösen ist. Denn zum einen stimmt die Rechtsschreibung der Nachnamen einiger Zeugen nicht. Zum anderen werden die Anschriften nach fünf Jahren auch nicht mehr aktuell sein. Und wenn man weiß, dass es sich um Bürger Polens und Weißrussland handelt, die gerade in Corona-Zeiten eher weniger reisefreudig sind, kann man nachvollziehen, warum dem Richter es graust vor diesem Verfahren.
Genau ein solches Szenario hatte ich seinerzeit vorgetragen, als ich die Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG vorschlug. Jetzt werden wir entspannt abwarten können, bis der gleiche Vorschlag vom Gericht kommen wird.
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Ein Kommentar
Bei den polnischen Zeugen könnte man es noch mit der Ladung und gar der Adressermittlung versuchen, wenn man richtig hart drauf ist. Aber bei den weißrussischen…
Zuerstmal haben Weißrussen (Bürger von Belarus) zwei Namen, die weißrussische und die russische Variante: Swjatlana Georgijeuna Zichanouskaja (be) bzw. Swetlana Georgijewna Tichanowskaja (ru). Alles noch in verschiedenen Umschriftvarianten. (Ts-C-Cz-Z)(i-í)(kh-h-ch)ano(u-ŭ-w)ska(ya-ja-ia-â) – Ti(h-ch-kh)ano(v-w)ska(ja-ia-ya-â). Viel Spaß!
Tja, Ladung auf direktem Wege (Einschreibbrief mit Rückschein) nach Belarus geht nur bei Freiwilligkeit. Dann brauchen die Leute Visum und in der Tat und ohne Scherz einen Reisekostenvorschuss, für den sie erstmal ein Fremdwährungskonto eröffnen und zig Bescheinigungen vorlegen müssen.. Die verdienen sehr wenig. Tja, und dann weiß man nicht, ob die Leute aus dem Land gelassen werden, in der derzeitigen Situation oder nicht gerade Ordnungshaft absitzen.
Eine offizielle Zustellung mit Anordnung des Erscheinens über die zuständige Behörde und Androhung von Ordnungsmitteln etc. pp. wäre da sogar sinnvoller. Aber, ob Belarus da mitmacht, angesichts des „Staatsbesuchs“ o. a. Dame?