Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

26. Mai 2020

Kreatives Kriminalgericht

Wie schlimm es um die Schutzmaßnahmen im Berliner Kriminalgericht bestellt ist, berichtete der Tagesspiegel am 24.05.2020.

Ein Schöffe informierte über die Zustände am größten deutschen Strafgericht und reklamierte einen sorglosen Umgang mit den Risiken einer Ansteckung.

Erwartungsgemäß reagiert die Verwaltung des Gerichts:

Um das zu erreichen, sind wir sehr kreativ. Speziell um den Abstand einzuhalten, werden nun auch Presse- und Zuschauerplätze für die Verhandlung genutzt.“

Es ist eine Farce, nicht nur das Argument der in dem Artikel zitierten Gerichtssprecherin Lisa Jani, die „die Schilderung so nicht bestätigen“ könne.

Ich kann die Schilderungen des Schöffen in weiten Teilen bestätigen. Insbesondere die Abstandsregeln werden nicht eingehalten, schlicht weil der dazu notwendige Raum nicht vorhanden ist.

Apropos Raum: Aus Sicherheitsgründen (Flucht- und Anschlagsfahr) können viele Säle, in denen über Stunden mit zahlreichen Anwesenden verhandelt wird, nicht gelüftet werden.

„Der Richter hat in seinem Saal die Sitzungspolizei und kann selbst regeln, ob zum Beispiel Mundschutz getragen werden muss“, sagt Jani.

Wenn die Verwaltung die Richter aus diesem Grund de facto aber allein lässt, können sie auch nicht dafür Sorge tragen, dass sich die Angeklagten z.B. in ihren Käfigen (Saal B129 oder A500/700) untereinander zu nahe kommen.

Wenn die Schöffen „kreativ“ an irgendwelchen Katzentischen im Saal verteilt sitzen: Wie soll dann die Beratung zwischen ihnen und den anderen Richtern stattfinden?

Und wie stellt sich die Verwaltung die (vertrauliche!) Kommunikation zwischen Verteidigern und ihren Mandanten während laufender Verhandlung vor?

Ich bin froh über mein Privileg, mich zurzeit nicht allzu oft dieser Virenschleuder aussetzen zu müssen.

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5 Kommentare

  • Forschke sagt:

    Schreckliche Zeiten. Wie würden Sie an das Problem herangehen, wenn Sie Gerichtspräsident wären?

  • Richterix sagt:

    ‚>>Der Richter hat in seinem Saal die Sitzungspolizei und kann selbst regeln, ob zum Beispiel Mundschutz getragen werden muss<<, sagt Jani.'

    Meines Erachtens ist das unzutreffend. § 176 Abs. 2 Satz 1 GVG verbietet Gesichtsverhüllung im Gerichtssaal; Satz 2 lässt es lediglich zu, Ausnahmen zu gestatten. Meine Sitzungspolizei reicht kaum so weit, dass ich ein gesetzliches Verbot in sein Gegenteil verkehren kann.

  • Und wie ist das dann mit der Öffentlichkeit der Sitzung, wenn Publikums- und Presseplätze von Beteiligten belegt sind?

  • Emigrant sagt:

    Ich kann mich nur dem Kommentar von Forschke anschliessen.

  • Daniel sagt:

    Da bin ich ja froh, dass meine Zeugenvernehmung gestern kurzfristig abgesetzt wurde und der VorsRiLG mich noch telefonisch erreicht hat bevor ich zu Gericht aufgebrochen bin…