Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

6. September 2020

Rasen verbieten oder fördern?

Der üble Unfall vom Montagabend am Kurfürstendamm ist erneut Anlass für viele Gedanken, die sich mehr oder weniger kompetente Köpfe machen.

Vorschläge kommen von Oberamts- und Strafverfolgern, rotrotgrünen Bezirks- und Landespolitikern, miesepetrigen Fahrradaktivisten und anderen Interessenverbänden.

Eine richtige kompakte Lösung zur Eindämmung dieses gefährlichen und strafrechtsrelevanten Phänomens der Ampelrennen hat jedoch niemand.

Provokante Alternative

Mir ist da ein anderer Gedanke gekommen, der mit meiner motorsportlichen Vergangenheit zusammen hängt. Nachdem ich mich in den 1990er Jahren mit sportivem Gerät nur noch auf abgesperrten Rennstrecken im Kreis ausgetobt habe, hat sich mein Fahrverhalten im öffentlichen Straßenverkehr grundlegend geändert.

Ich hatte kein Bedürfnis mehr, den Kesselberg in Bestzeit zu befahren, oder zum Kyffhäuser hinauf auf der letzten Rille die Sonntagsfahrer zu überholen.

Entspanntes Cruisen sowohl in der Stadt, als auch über Land war angesagt. Das hat mir und den anderen Verkehrsteilnehmern auf die Dauer die Gesundheit gerettet.

Rundkurse und eine lange Gerade

Im weiteren Berliner Umland gibt es ein paar knapp noch in einem halben Tag erreichbare Rundkurse. Dabei denke ich an Oschersleben, den Lausitzring, Poznan oder auch Most und Brno. Alles Strecken, auf denen auch Privatfahrer mit kräftigen Motorfahrzeugen ihr Mütchen kühlen können.

Aber es gab auch mal eine Strecke, die nur knapp 6 km von der kaputten Kirche entfernt liegt: Die Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße, kurz: AVUS. An diese traditionelle Rennstrecke habe ich gedacht.

Startgeld und Eisdielenersatz

Die Jungs, die sich in der Stadt ihre Beschleunigungsrennen liefern, wären auf der Stadtautobahn vom Funkturm bis zur Spinnerbrücke bestens aufgehoben, sofern man die seit Mai 1989 geltende Geschwindkeitsbegrenzung aufheben würde. Vielleicht auch nur an einem Tag in der Woche oder Monat, an dem dann ein Startgeld gezahlt werden muss, mit dem dann die Streckenposten, Abschleppwagen und die sonstigen Sicherungen finanziert werden. Die Tribüne würde dann die Aufgaben der Straßencafés und Eisdielen am Ku’damm übernehmen.

Freiraum

Ich glaube schon, dass sich mit so einem Freiraum, in dem sich die Hubraum- und PS-Junkies beim stumpfen Geradeausfahren austoben können, die Rennen innerhalb der Stadt reduzieren würden.

Ein provokanter Gedanke, ja. Aber vielleicht nicht abwegiger als der, mit dem man aus dem Ku’damm eine Fussgängerzone machen möchte, um Dragsterrennen zu unterbinden.

Bild: Noop1958 / CC BY-SA

6 Kommentare

  • Schnorchel sagt:

    Die Frage ist natürlich, inwieweit ungefährlicher es wäre. Mir gefällt aber der Ansatz an sich, weil ich finde, dass man als Gesetzgeber die Welt sehen muss, wie sie ist: Die Gesellschaft will – pauschal betrachtet – saufen, rauchen (und nicht nur Zigaretten!), rasen, in Bordelle gehen und so weiter. Wir sollten nicht versuchen, zu ändern, was sich nicht ändern wird, sondern versuchen, diese Bedürfnisse – soweit sie nicht ganz unvermeidbar immer dazu führen, dass andere zu Schaden kommen – zu kanalisieren und bestensfalls in ihrer Auswirkung zu entschärfen. Man darf eben nicht den Fehler machen, von sich auf andere zu schließen: Nur, weil man selbst nicht das Bedürfnis hat, zu trinken, zu rauchen und schnell zu fahren, heißt das noch lange nicht, dass nicht andere dieses Bedürfnis haben. Und schon zweimal nicht, dass sich das ändert, nur weil man das schlecht findet. Politik soll keine moralischen Wertvorstellungen durchsetzen, sondern Problemlösungen vorstellen und austesten.

  • Alex sagt:

    1 – Ich dachte zuerst an das Gewächs und wunderte mich über die unerwartete Naturnähe
    2 – Der Beitrag zur Verkehrssicherheit wäre vermutlich enorm.

  • BV sagt:

    Ist denn wirklich die fehlende Möglichkeit der maßgebliche Auslöser solcher Rennen? Dann könnte man sich auch, wie es ja immer wieder gemacht wird, in einem Gewerbegebiet oder einer sonstigen Gegend verabreden/treffen, um dort gegeneinander anzutreten. Das wäre immer weniger gefährlich. Einen echten „Bedarf“, solche Rennen in der Berliner City auszutragen, gibt es wohl nicht. Allenfalls ist es das spontane Aufeinandertreffen, der Adrenalinspiegel und die Drehzahlen, die gleichermaßen hoch sind und der Kick, was in Summe keine Vertagung erlaubt. Und natürlich ist es der mitunter tödliche Gedanke, dass es schon gutgehen werde. Ich glaube, niemand möchte gerne mit weit über 100 km/h in den Querverkehr krachen.

    Es ist sicherlich ein Ansatz. Allzu viel würde ich mir davon spontan aber nicht versprechen.

  • Flamebeard sagt:

    @BW: Natürlich geht es um mehr, als ’nur‘ am Schnellsten von A nach B zu kommen. Aber eben deswegen auch die AVUS: Hier hat man ggf. Platz für ‚geneigtes Fachpublikum‘ und eben auch gleiche Voraussetzungen für alle. Man stelle sich nur vor, wenn die Zeitnahme an der Ziellinie offiziell von der Verkehrspolizei durchgeführt wird (am Termin straffrei, da unter Aufsicht und Sicherheitsvorkehrungen). Das kann eigentlich nur zum WIN auf allen Seiten führen:
    1) Image-Gewinn für die Polizei nach außen.
    2) Appeal der Polizei nach innen: Es dürften sich sicherlich einige Freiwillige finden, die diese Schichten übernehmen, entweder, weil sie sich a) dem Thema verbunden sehen oder b) dann nicht Samstags auf Demo-Dienst müssen. (Ruhezeiten zwischen den Schichten!)
    3) Appeal für die PS-Freunde, wenn die offizielle Bestenliste von der Polizei geführt wird.
    4) Wirtschaftliche Möglichkeiten für Gastronomie und Handel, wenn die Tribünen bewirtschaftet werden und eventuell etwas abseits noch ein PS-Flohmarkt organisiert wird.

  • meine5cent sagt:

    Der Ansatz ist sicher interessant, aber ich weiß nicht, ob er bei der Klientel so richtig greift. In der Zeit war schon 2016 ein interessanter Artikel zum ersten Berliner Raser-Fall „Autorennen: Ist das Mord“, (jetzt leider hinter paywall/abopflichtig) in dem auch erklärt wurde, wie es diese Kundschaft schafft, trotz geringen Einkommens an hochpreisige und hochmotorisierte Pkws zu kommen.
    Ob dann noch Geld für die Renngebühr übrig ist? Wie hoch müsste die angesetzt werden, um das zu finanzieren?
    Und dann natürlich die Haftungfrage, da werden die Kollegen Zivilisten ihre Freude dran haben: wer Rennveranstalter ist, muss für eine einwandfreie Rennstrecke sorgen, Sicherheitsvorkehrungen, Feuerwehr, Sanis bereithalten….Angesichts der Berliner Finanzlage evtl. eher schwierig.
    Vielleicht greift man einen Teil der Raser ab. Aber die sind ja, wie ein Vorredner meinte, auch bisher nicht darauf gekommen, irgendwo auf dem platten Land zu fahren statt mitten in der Stadt.

  • Arnooo sagt:

    Ich finde diese „provokante“ Idee super. Allerdings ist unsere Gesellschaft zu solchen Gedanken nicht in der Lage.

    BTW: der Link zur Aprilia fuppt nicht.