Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

30. November 2020

Unhöfliche Bestechung

Die Bestechung eines Beamten ist kein Kavaliersdelikt. Die Grenzen sind recht eng gezogen, bei deren Überschreitung es schnell unangenehm werden kann. Dies musste eine Wohnungssuchende in München erleben.

Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, ist es nicht immer einfach, die Contenance zu bewahren. Nach fast zwei Jahren erfolgloser Wohnungssuche ist einer Kassiererin der Kragen geplatzt.

Die Frau suchte über ein Online-Portal des städtischen Wohnungsamtes eine Sozialwohnung in München.

In der Zwischenzeit lebte sie auf der Straße, in Pensionen oder auf der Couch bei Freunden. Vom Amt bekam sie keine Angebote.

Am Ende einer längeren eMail, in der sie ihrem Frust freien Lauf ließ, schrieb sie die nicht nur in Bayern verhängnisvollen Worte:

Wollen Sie Geld dan geben ich ihnen Geld. Es ist keine Problem, ich werde alles tun damit ich eine Wohnung krige. Sagen sie mir wie viel Geld sie brauchen???

Das war zunächst für die Münchener Staatsanwaltschaft, dann auch für das Amtsgericht München eine Grenzüberschreitung. Dafür gabe es eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen, was einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten entspricht.

Der „Beamtenbestechungsparagraf“ des Strafgesetzbuchs (§ 334 StGB) lautet:

Wer einem Amtsträger […] einen Vorteil für diesen […] als Gegenleistung dafür anbietet […], daß er eine Diensthandlung […] künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten […] verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Wenn man den schieren Wortlaut der eMail unter diese Vorschrift packt, hat man kein Problem: Passt!

Aber war das von der Frau wirklich so gemeint, wie es sich anhört? Der Zusammenhang, in dem dieser Satz stand, machte deutlich, dass es hier um eine existenzielle Aufgabe ging, die die Frau (mit Hilfe des Wohnungsamts) lösen wollte.

Bei mir ist eine Not situation, bitte schiken sie mir paar Angeboten mit der Wohnungen! Das kann noch nicht war sein das die Wohnungen in München schon alle bereits vergeben würde. Lassen sie die alle anderen die schon zwei Wohnugen haben und 100 Kinder machen , die die keine Steuer zahlen wollen und dan nehmen Geld von Amt und Wohnungen, vermiten privat eigenes Wohnungen die vom der Stadt gegeben würde und melden bei Finanzamt nicht und bei euch nicht. Ich habe schnauze voll damit, haben sie mich verstanden???? Ich wohne in München seit 8 jahren und ich habe das Recht ein Wohnung zu bekommen, aber nicht solche verbrecher! Ich arbeite und zahle meine Steuer, ich möchte studieren, ich habe viele Plane. Bitte ich kann nicht mehr auf der Straße wohnen oder ständig bei anderem leute!!! Wollen sie Geld dan geben ich ihnen Geld. Es ist keine Problem, ich werde alles tun damit ich eine Wohnung krige. Sagen sie mir wie viel Geld sie brauchen???

Musste die exekutive Staatsgewalt darauf tatsächlich so empfindlich reagieren? Und den Erlass eines Strafbefehls beantragen?

Mir sind die Akteninhalte und damit die weiteren Details nicht bekannt. Allerdings erscheint mir das Bemühen der Angeklagten, den Satz mit einem Übersetzungsfehler von Google-Translate erklären zu wollen, eine Verteidigungsstrategie gewesen zu sein, von der ich eher abgeraten hätte.

Ich wollte die Stadt München nicht bestechen. Ich wollte mit der Hilfe von Google einen Text übersetze, leider ist es mir nicht gelungen. Ich habe nicht bemerken können, was Google eigentlich übersetzt hat. Meine Deutschkenntnisse sind sehr mangelhaft. Eigentlich wollte ich sagen, dass ich bereit wäre, den Kautionsbetrag für die Wohnung zu bezahlen und auch die Miete für eine Wohnung. Außerdem wollte ich ausdrücken, dass ich einen Arbeitsplatz habe und für die Miete aufkommen kann.

Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, frühzeitig vorzutragen, dass es ihr leid tut, sich im Ton vergriffen zu haben.

Ein solches kleinlauteres „Entschuldigungsschreiben“ hätte bei der Ermittlungsbehörde vielleicht dazu geführt, keinen Strafbefehl zu beantragen, sondern das Verfahren gegen eine erfüllbare Auflage nach § 153a StPO einzustellen.

Bei allem Verständnis für den Frust, den eine Wohnungssuche in der bayerischen Landeshauptstadt auslösen kann: Der von der Angeklagten gewählte Weg war der falsche. Und ich bin mir sicher, bei einer soliden Beratung – gegebenenfalls durch einen Strafverteidiger – hätte es anders laufen können.

Aber vielleicht gelingt es der Kassiererin ja, in der Berufungsinstanz noch etwas zu retten.

Quelle der Informationen: Pressemitteilung des AG München Nr. 49/2020 v. 06.11.2020
Bild von Engin Akyurt auf Pixabay

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