Ablehnung durch das Kammergericht

Ablehnungsgesuche oder Befangenheitsträge sind Instrumente der Verteidigung, manchmal auch der Staatsanwaltschaft. Dass auch ein Senat des Kammergericht die Besorgnis hat, dass Richter am Landgericht befangen sind, ist eher selten.
Detlef Burhoff besprach gestern in seinem Blog die Entscheidung KG, Beschl. v. 30.08.2021 – 2 Ws 79/21. Es geht um die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen LG Berlin, Beschl. v. 01.07.2021 – (525 KLs) 254 Js 592/20 (10/21) in dem sogenannten EncroChat-Verfahren.
Nichtzulassungsbeschwerde
Die 25. große Strafkammer des Landgerichts hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht zum Hauptverfahren zugelassen, weil es die zur Beweisführung gewonnenen Erkenntnisse für nicht verwertbar hielt. Das Kammergericht hat der Nichtzulassungsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nun stattgeben und die Anklage zugelassen. Das war zu erwarten und stellt keine Überraschung dar.
Begründung
Mich verwundert allerdings die Begründung des 2. Senats für die Entscheidung nach § 210 StPO, die Sache vor einer anderen Strafkammer zu eröffnen:
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, das Hauptverfahren vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts Berlin zu eröffnen (§ 210 Abs. 3 Satz 1 StPO). Mit ihrer ausführlich begründeten Rechtsansicht in dem angefochtenen Beschluss, die nicht nur im Widerspruch zur Ansicht des Senats, sondern auch der Oberlandesgerichte Bremen, Hamburg, Rostock, Schleswig, Düsseldorf und Brandenburg steht, hat sich die 25. Strafkammer in einer Weise festgelegt, die besorgen lässt, dass sie sich die Auffassung des Senats nicht innerlich zu eigen machen kann (vgl. BGH NStZ 2017, 420). Mithin steht zu befürchten, dass sie im Hinblick auf ihre ursprünglich abweichende Bewertung außer Stande ist, das Verfahren mit der gebotenen Objektivität fortzuführen (vgl. KK-StPO/Schneider 8. Aufl., § 210 Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 64. Aufl., § 210 Rn. 10).
KG 2 Ws 79/21
Detlef Burhoff hält die Entscheidung vom Standpunkt des Kammergericht ausgesehen für konsequent; dem ist nichts entgegen zu halten.
Affront
Die Formulierung ihrer Begründung entspricht insoweit allerdings dem Ductus der Textbausteine, die Verteidiger für Befangenheitsanträge ihrer Mandanten nutzen. Diese Ablehnungsgesuche werden jedoch überwiegend nicht nur zurückgewiesen, sondern von den abgelehnten Richtern auch als persönlicher Affront empfunden. Schließlich ist die Unvoreingenommenheit des Richters eine Kernanforderung an seine Person: Voreingenommene Richter sind ungeeignet. Das möchte sich kein Richter sagen lassen.
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft
Wenn ein Verteidiger bzw. ein Angeklagter einem Richter Voreingenommenheit unterstellt, hebt das in der Regel nicht die Stimmung und hat meist keinen guten Einfluss auf die Verhandlungsatmosphäre. Welche Folgen die Begründung in diesem Beschluss für das Verhältnis zwischen den Richtern des 2. Senats und denen der 25. großen Strafkammer hat, ist vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen sehr gut vorstellbar. Ich denke, die dürfen sich jetzt nicht mehr im Dunkeln begnen.
Bild von Ulrike Leone auf Pixabay
2 Kommentare
Laß mich raten: Die Richter der 25. lassen gerade die Champagnerkorken knallen; sie sind das Verfahren los und eine andere Kammer muß sich damit befassen?
Sicherlich kein einfaches und schnell zu erledigendes Verfahren.
Bei einem gleichen Befangenheitsantrag von einem Angeklagten hätte es lapidar gehießen: „Eine abweichende Ansicht in einer Rechtsfrage begründet noch keine Besorgnis der Befangenheit.“ evtl. hätte sich noch so etwas dazu gesellt: „Aufgrund der Klarheit der Entscheidung zur Rechtsfrage ist nicht zu erwarten, dass das Landgericht die zur Frage stehenden Beweismittel im Rahmen der Hauptverhandlung für nicht zulässig erklärt. Für die Annahme, dass die zur Unbefangenen besonders qualifizierten Berufsrichter des Landgerichts Ihre abweichende Meinung zu dieser Rechtsfrage in andere Sach- oder Rechtsentscheidungen einfliessen lassen, besteht keiner Anhaltspunkt und somit Besorgnis. „