Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

5. Januar 2022

Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei

Wenn eines Morgens statt der erwarteten Mandanten ein Trupp Polizisten vor der Kanzleitür steht, bleibt dem Rechtsanwalt keine Alternative: Er muss die Beamten hereinlassen. Die Rechtsanwaltskanzlei ist keine Festung!

Darauf sollten Anwälte und ihre Mitarbeiter vorbereitet sein.

Es ist offensichtlich, dass zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich ein dringender Handlungsbedarf besteht. Denn es geht nicht nur um die Interessen des Rechtsanwalts und seiner Mitarbeiter. Sondern auch die Mandanten der Kanzlei werden keine Freude daran haben, wenn die Informationen, die sie ihrem Rechtsanwalt anvertraut (sic!) haben, in die Hände von Ermittlungsbehörden gelangen.

Das gilt ganz besonders für Kanzleien von Strafverteidigern, aber auch Steuer- und Wirtschaftsrechtler verfügen über Mandanten-Daten, die nicht für Dritte oder gar für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Wie sollte sich der durchsuchte Berufsgeheimnisträger verhalten?

Dazu haben viele kluge Juristen und Kollegen zahlreiche Aufsätze und Merkblätter verfasst. Ich möchte hier das Rad nicht neu erfinden. Wer sich detailliert informieren möchte, wird beispielsweise bei Detlef Burhoff (sehr ausführlich), bei der Rechtsanwaltskammer Berlin oder bei Juris bzw. der Kollegin Katharina Wild fündig.

Ich bin Praktiker und war an einigen Durchsuchungen beteiligt (als Verteidiger, nicht als Betroffener! 🙂 ). Allen dieser Fälle und auch der Fälle, von denen ich gelesen oder gehört habe, war eines gemeinsam: Die Anwälte und anwesenden Mitarbeiter hatten einen enorm hohen Adrenalinspiegel, der immer zu spontanen – d.h. unüberlegten – Handlungen führte.

Auf diese Situation genau sind die Durchsuchungsbeamten vorbereitet. Sie sind dazu ausgebildet, sich diesen Stress zunutze zu machen. Das bedeutet, selbst ein erfahrener Strafverteidiger, dessen Kanzleiräume durchsucht werden sollen, wird den Beamten in dieser Situation unterlegen sein.

Ich bin davon überzeugt, dass der sicherlich zutreffende Rat der RAK Berlin …

unter dem Druck der bevorstehenden Durchsuchung nicht befolgt werden wird, weil er nicht befolgt werden kann. Wenn fünf ungeduldig erscheinende Beamte darauf warten sollen, bis der Rechtsanwalt die 10 oder 15 Seiten des Beschlusses „gründlich geprüft“ und in seiner Tragweite verstanden haben will, kann keine rechte Konzentration aufkommen.

Was sollte man als Kanzleiinhaber also tun, um seine Rechte und die seiner Mandanten zu wahren? Das ist eigentlich recht überschaubar und leicht umzusetzen:

  1. Man bittet die Beamten ins Warte- oder Besprechungszimmer.
  2. Man ruft einen erfahrenen Strafverteidiger an und bittet ihn, SOFORT in die Kanzlei zu kommen.
  3. Man bietet den Beamten einen Caffè an und bittet sie, das Eintreffen des Verteidigers abzuwarten.
  4. Man schweigt, führt auch keinen Small Talk und verlässt das Zimmer.

Der hinzugerufene Kollege wird dann all das mit der professionellen Distanz erledigen, was die Kollegen Burhoff, Wild und die anderen Autoren zutreffend empfehlen.

Mein Rat bei der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei …

… lautet hier – wie auch in allen anderen Verfahren eines Rechtsanwalt in eigener Sache:

Wer sich selbst verteidigt oder vertritt, hat einen Narren zum Mandanten; deshalb:
Finger weg von der Selbstverteidigung.

Bild von Siggy Nowak auf Pixabay

10 Kommentare

  • Das Ich sagt:

    Ich frage Mal als Unbeteiligter in die Runde…wenn die Akten Elektronisch vorliegen, also keine interessanten Unterlagen in Papierform vorhanden sind, kann man sich doch entspannt zurück lehnen und auf die Cloud verweisen. (Da bekommen die dann höchstens ein Image aus dem RZ, welches verschlüsselt ist) Ein Backup hat man sicherlich in einem anderen Rechenzentrum. Alles natürlich stark verschlüsselt. Oder denke ich da in die falsche Richtung. Mir ist kein Fall bekannt, wo irgendwer und schon gar nicht die Sta etwas entschlüsseln konnte. Ein gutes Neues an Sie, Herr Hönig:)

  • JD sagt:

    Frohes Neues! Schön, mal wieder etwas von Ihnen zu hören.

    „Ich bin Praktiker und war an einigen Durchsuchungen beteiligt (als Verteidiger, nicht als Betroffener! 🙂 ). “

    Ich muss zugeben, dass das beim Lesen der Überschrift tatsächlich mein erster Gedanke war. Man stellt dabei natürlich auch gleich einen Zusammenhang zu der Blogpause her. „Durchsuchung der Kanzlei?! War der Rechtsanwalt vielleicht sogar zwischendurch in Haft?! Ist das der Grund, warum man so lange nichts gehört hat…?

    Ich bin doch froh, dass sich nichts von alledem bewahrheitet hat 🙂 Danke für den Artikel.

  • WPR_bei_WBS sagt:

    @ Das Ich

    Ich würde sagen, das kommt auf die Größe der Kanzlei an – mit jedem zusätzlichen (zugangsberechtigtem) Mitarbeiter steigt wohl exponentiell die Wahrscheinlichkeit, dass einer dem Druck der Beamten nicht stand hält und sich einloggt.

    Weiterhin muss natürlich auch erstmal jeder ausgeloggt sein. Die Beamten sind aber eben auch darauf trainiert, dass keiner mehr was anfasst. Die Idee „mit dem Kaffee im Warteraum allein lassen“ wird deshlab nicht immer funktionieren. Hängt natürlich vom Umfang des Durchsuchungsbeschlusses ab.

    Und noch ein Stück weiter technisch, eine Bildschirmsperre o. ä. bedeutet ja noch lange nicht, dass die (entschlüsselte) Verbindung wirklich gekappt ist. Da können die IT-Forensiker im Zweifel noch was machen.

    Und, last but not least, kommt es natürlich auch auf das genau Setup an – also z. B., ob die „Festplatte“ im Server (egal ob Cloud oder Kammer im Büro) wirklich (gut) verschlüsselt ist.

  • JD sagt:

    Um wirklich zu verhindern, dass nicht noch offene Zugänge ausgenutzt werden, müsste man schon ein Notfallsetup haben, wie es in der Regel nur Leute haben, die real damit rechnen, durchsucht zu werden (z. B. Aktivisten oder anderweitig im Fokus stehende Personen). Wenn ich in einem normalen Büro rein spaziere und rufe „Schönen guten Morgen, die Kriminalpolizei XY, bitte einmal alle die Hände weg von den Tastaturen!“, dürften die Chancen recht gut stehen, dass ich über ungesperrte Bildschirme und eingeloggte User auf laufende Server zugreifen kann. Dann bringt die beste Verschlüsselung nichts.

    Und mal ehrlich: Welche Rechtsanwaltskanzlei (!) in Deutschland hat einen Notfallknopf, um auf einen Schlag alle Server oder zumindest alle Clients mit aktivem Zugriff auszuschalten? Oder auch nur (sofern Server lokal) einen alarmgesicherten Serverraum, der bei Auslösen der Alarmanlage sofort alle Server abschaltet?

    Insofern: Nein, die Polizei wird sich ganz sicher nicht mit einem Verweis aufs Rechenzentrum nach Hause schicken lassen.

  • Das Ich sagt:

    Ja, verstehe die Einwände. Ich kenne das aber, Gewissermassen im Hochsicherheitsbereich, dass es ein Autologoff nach einer gew. Zeit gibt, wenn keiner an seinen Akten arbeitet. Und die Wahrscheinlichkeit, dass es genau die geöffneten Akten sind, die gesucht werden, ist gering 🙂 und ja, jeder Mitarbeiter muss aktiv das Auto Log off jedesmal verhindern… Natürlich ist das für einer Anwaltskanzlei keinen praktikables Szenario… Jedoch gibt es bei den genannten Unternehmen ein mehrstufiges Zugriff System, ich gehe mal davon aus, dass nicht jeder Mitarbeiter in einer Strafrechtskanzlei auch wirklich an jeder Akte darf bzw rankommt durch einloggen. Wie gesagt, das ist auch keine Besserwisserei oder sonstiges, ich habe mich tatsächlich nur gefragt, warum die Akten von ganz heißen Kandidaten, nicht gesondert gesichert werden. Auch wenn das zunächst unpraktikabel erscheinen mag. So ist man ja nun doch als Anwalt steuerberater Arzt etc verpflichtet Patienten & Mandantendaten in gesicherter Form vorzuhalten. Es könnte ja auch sein dass man einfach sein Laptop irgendwo vergisst. Gedanken über Gedanken 🙂

  • JLloyd sagt:

    Hier zeigt sich, wie wichtig Notfallkonzept & Notfallplan sind: Ersteres beinhaltet verschlüsselte Server, verschlüsselte Off-Site-Backups, Zugangsbeschränkungen für Mitarbeiter zu ausschließlich ihren (ggf. vertretungsweise) zugeordneten Akten sowie Zugriffsbeschränkungen, die dafür sorgen, dass nur die Akten des jeweils aktuell bearbeiteten Falls entschlüsselt sind, sowie eben jenen Notfallplan, der besagt, was im Falle einer Durchsuchung zu tun ist, sofern es noch getan werden kann sowie insbes. welcher externe Verteidiger zu benachrichtigen ist.

  • Flo sagt:

    @WPR_bei_WBS, das mit dem die Beamte im Wartezimmer zu parken bis der eigene Anwalt eintrifft klingt in der Tat für eine Hausdurchsuchung ungewöhnlich. Aber, bei einem Berufsgeheimnisträger könnte ich mir vorstellen das es tatsächlich klappt, zumindest wenn der Durchsuchte nicht Beschuldigter ist.
    Auch wenn sich unsere Justizt mit Beweisverwertungsverboten sehr zurückhält, aber Beifänge aus einer Durchsuchung bei einem Berufsgeheimnisträger dürften da noch die besten Chancen haben nicht verwertet zu werden. Und das dürfte auch nicht Interesse der Ermittler sein sich das mit den Kollegen zu verscherzen denen man so ungewollt in die Suppe spuckt.

  • Michael sagt:

    Ich mag nun wirklich naiv sein, aber solcherart Durchsuchungen von Rechtsanwaltskanzleien waren bisher außerhalb meines Vorstellungsbereichs, jedenfalls für Deutschland.

    Kommt das etwa häufiger vor, sodass es bereits juristische Fachaufsätze darüber gibt? Bin beim Lesen gerade etwas von Glauben an den Rechtsstaat abgefallen und bin Herrn Hoenig dankbar für den Beitrag.

  • Wonder sagt:

    Losgelöst von Kanzleien – täuscht der Eindruck, dass es praktisch null Verhältnismäßigkeitsgesichte mehr gibt, Durchsuchungen bei Bagatelldelikten zunehmen und der Gesetzgeber mal tätig werden müsste?

  • Flo sagt:

    @Michael, keine Ahnung ob irgendwer Statisitk führt wie oft bei Anwälten etc eine Druchsuchung erfolgt.
    Aber gerade bei Steuerberatern / Wirtschaftsprüfern könnte ich mir gut vorstellen das es öfters, und damit auch zu dem Thema juristische Fachliteratur entsteht, vorkommt das dort im Zusammenhang mit Wirtschaftsstrafsachen nach Beweismitteln gesucht wird die dort vom Mandanten zur weiteren Bearbeitung abgegeben wurden.