Der alimentierte Ruhestand

Bei der Verteidigung eines Beamten darf der Verteidiger die beamtenrechtlichen Konsequenzen einer Verurteilung nicht aus dem Blick verlieren.
Welche Überraschungen das Beamtenrecht für die Strafverteidigung parat hält, zeigt eine (Eil-)Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Der ehemalige rheinland-pfälzische Finanzminister wurde wegen Untreue und uneidlicher Falschaussage rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt. Den Kampf um seine Freiheit hat er verloren.
Nun gehts noch ums Geld.
Das für seine Pensionszahlungen zuständige Landesamt wendete nach dem rechtskräftigen Urteil stumpf § 24 Abs. 1 Ziff. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) an und stellte die alimentierenden Zahlungen ein. Diese Vorschrift sieht zwingend das Ende des Beamtenverhältnisses vor, wenn der Beamte zu mindestens 12 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Doch so einfach geht es nicht.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2021 (2 B 11489/20.OVG) stellte das OVG Rheinland-Pfalz fest, dass die knackig formulierte Rechtsfolge des § 24 BeamtStG hier (so) nicht anwendbar ist. Die Verwaltungsrichter haben sich nämlich die Begründung des Strafmaßes näher angeschaut.
Was bisher geschah
Folgendes war nach den Feststellungen der Strafrichter geschehen.
Nach seiner Inthronisation als Finanzminister im Jahr 2006 habe der Landesbeamte vier Untreuehandlungen (§ 266 StGB) begangen. Im Zusammenhang mit der sogenannten Nürburgring-Affäre sei er dann zurückgetreten und in den Ruhestand versetzt worden. Als Ruheständler und Zeuge habe er dann vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags noch eine falsche uneidliche Aussage (§ 153 StGB) gemacht.
Die Verwaltungsrichter haben beschlossen:
Eine Zusammenrechnung von Freiheitsstrafen für vor und nach der Zurruhesetzung begangene Taten sei nicht zulässig.
Die Falschaussage im Ruhestand
Die Strafkammer habe für die Falschaussage 16 Monate Freiheitsstrafe festgesetzt. Und damit sei der Weg frei zu § 70 Abs. I Ziff. 2a Landesbeamtenversorgungsgesetz (LBeamtVG).
Dort ist geregelt, dass der Verlust der Pensionsansprüche erst dann eintritt, wenn der Beamte wegen einer nach Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurde. Also habe die Verurteilung wegen der Falschaussage nicht den Verlust der Pensionsansprüche zur Folge, so das OVG.
Untreue im aktiven Dienst
Diese 16 Monate müssten nun von der Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 27 Monaten abgezogen werden. Und dann blieben nur noch 11 Monate für die Untreuehandlungen übrig, die er als aktiver Landesbeamter begangen habe.
Und weil jetzt nur noch 11 Monate für die während der aktiven Zeit begangene Untreue übrigblieben, komme es auch nicht zu den Folgen des § 24 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), beschlossen die Verwaltungsrichter.
Nicht überzeugend
Auch wenn ich dem dethronisierten Finanzminister die monatlichen Überweisungen seiner Pension auf sein Knastkonto nicht neide, halte ich die Entscheidung des OVG für angreifbar; sie überzeugt nicht.
Gesamtstrafenbildung
Ist aus mehreren Einzelstrafen (hier aus vier Untreuehandlungen und einer Falschaussage) eine Gesamtstrafe zu bilden, so erfolgt dies grundsätzlich durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, § 54 StGB.
In einem ersten Schritt sind also die Einzelstrafen für jede einzelne abzuurteilende Straftat festzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.1953 – 1 StR 726/52). Erst wenn die Einzelstrafen bestimmt sind, kann die höchste beziehungsweise schwerste Strafe als Grundlage für die Festsetzung der Gesamtstrafe (sog. Einsatzstrafe) herangezogen werden.
In einem weiteren Schritt erfolgt die Erhöhung der Einsatzstrafe. Wie diese Verschärfung ausfällt, bestimmt die Höhe der anderen Strafe(n). Die Grenze liegt bei der Summe der Strafeinheiten der Einzelstrafen.
Bestrafte Untreue
Im vorliegenden Fall muss man sich also in dem (mir nicht vorliegenden) Strafurteil die Einzelstrafen für die vier Fälle der Untreue anschauen, und aus dieser – zumindest gedanklich – quasi eine „Unter-Gesamtstrafe“ bilden. Allein diese Zahl ist entscheidend für die Prüfung der Voraussetzungen des § 24 BeamtStG. Ich vermute, dass sie größer als 11 sein wird.
Rechnerei? Non calculat!
Die Rückrechnung per Subtraktion aus der Gesamtstrafe halte ich für unzulässig. Genauso wie die schlichte Addition der Einzelstrafen unzulässig wäre.
Pflichtaufgabe eines Verteidigers
An diesem Fall wird deutlich, dass es bereits im Strafverfahren ganz entscheidend auf die beamtenrechtlichen Konsequenzen ankommt. Eine Freiheitstrafe ist immer irgendwann zu Ende. Der Verlust des Beamtenstatus‘ bzw. der Versorgungsbezüge währet ewiglich.
Das zu beachten ist zwar auch die Pflichtaufgabe eines Verteidigers, aber zuvörderst ist dies die des (ehemaligen) Beamten.
Nachwort
Über die Entscheidung des OVG Pheinland-Pfalz berichtet ausführlich die Pressemitteilung N. 8/2021. Anzumerken ist, dass es sich dabei um einen Beschluss im Eilverfahren handelt; die Karten werden im nun anstehenden Hauptsacheverfahren noch einmal neu gemischt. Der Exminister sollte sparsam mit den bis dahin gezahlten Bezügen umgehen.
Bild von Frantisek Krejci auf Pixabay
12 Kommentare
Ich bin jetzt mal eine Runde polemisch:
Ein „Diener des Volkes“, der 500 Millionen Euro veruntreut und dann darüber lügt gehört ins Gefängnis (passiert ja) und nicht noch mit Pensionen alimentiert, zuviel erhaltene Leistungen sind zurückzuzahlen und das Vermögen als Schadensersatz einzuziehen. Das gleiche wünsche ich mir für einen gewissen amtierenden Bundesverkehrsminister, der ja in die gleiche Kerbe schlägt.
Ein sehr informativer Blog-Beitrag. Es war interessant, das zu lesen. Vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen
Ist schon erstaunlich, wie so ein Staatsdiener billig davonkommt.
Ingolf Deubel hat 475.000 Euro unterschlagen, sowie 85 Mio. Euro an Krediten durch das Land an Dritte verbuergt, die letztlich ueberwiegend als Schaden verblieben. Zehn weitere Faelle von Untreue sind (noch) nicht ausgeurteilt.
Selbst wenn es NUR die 475.000 Euro waren, die rechtskraeftig festgestellt wurden, finde ich doch die Strafhoehe von „11 Monaten“ (ich weiss, die Einzelstrafe war vermutlich ein paar Monate mehr) geradezu laecherlich. Eine knappe halbe Million zu klauen und dafuer Bewaehrung bekommen? Das gibt es nur in Deutschland.
Dem Strafverteidiger darf man gratulieren. Amazing job! Aber der Angeklagte hatte mehr verdient, zmal etwas ueber zwei Jahre doch so aussieht, dass er nach einem Jahr im Freigang ist.
Schön herausgearbeitet, absolut nachvollziehbar. Danke.
Ansonsten muss ich in die gleiche Kerbe schlagen.
Millionenbeträge veruntreut, so derb, dass es nicht mal für eine Bewährung reicht, muss ins Gefängnis und bekommt am Ende dennoch seine (dicke) Pension. Absolut unverdient.
Die Gefängnisstrafe sitzt er zum kleinen Teil ab, mit etwas Glück und Vitamin B ist er nach wenigen Wochen Freigänger und darf nach der Hälfte der Zeit wieder nach Hause und seinen Lebensabend gut alimentiert genießen.
Aber das Land muss doch dann die Rentenbeträge (AG-Anteil) nachzahlen und erhält die Rente daraus, oder? Klar, aufgrund der recht guten Pensionsansprüche (nix mit Punkten, prinzipiell nur abhängig vom letzten Salär) und weil er in dem Fall ja keine AN-Beträge einbezahlt hat wird das Recht mickrig ausfallen.
Nun bin ich wahrlich kein Strafrechtler, aber erstens weiß ich trotzdem, dass eine Gesamtstrafe G ungleich der Summe der Einzelstrafen E1 bis E4 ist, und zweitens fiel mir der Denkfehler direkt ins Auge, dass man demzufolge die fiktive Gesamtstrafe der Einzelstrafen 1 bis 3 auf keinen Fall als G minus E4 berechnen kann. Das ist so offensichtlich falsch, dass es sich mE nicht durch die sprichwörtlich angeblich nicht rechnenden Juristen erklären lässt. Was ist also der Grund für so einen Mumpitz? Keine Lust zu denken, oder pure Absicht?
@WPR_bei_WBS, auch wenn die Entfernung aus dem Dienst den Dienstherren im ersten Moment Geld für die Nachzahlung an die RV kostet. Unter’m Strich dürfte das immer noch günstiger kommen als die monatlichen Pensionszahlungen bis zum Lebensende. Zumal ja mit der Pension auch die Beihilfeansprüche entfallen.
Wie ist das eigentlich, steht dem pensionierten Ex-Beamten der Weg in die GKV offen?
@Klaus
Ich unterstelle ja erstmal niemandem was böses, und erkläre es mir deshalb damit, dass es sich um eine einstweilige Entscheidung handelt. In der Abwägung Nutzen-Schaden jeweils für beide Seiten kann man, gerade unter der Prämisse des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass man den Betroffenen bis zum endgültigen Entschied erstmal weiter „durchfüttert“ .
„Interessant“ wird es allerdings, wenn die gleiche Argumentation vom Gericht im Hauptverfahren aufrechterhalten wird.
@Flo
Schon klar, ich wollte nur vorbeugend fragen bzw. darauf hinweisen, ob/dass der Gute jetzt finanziell nicht übern Tisch gezogen wird :).
Bzgl GKV gute Frage, dass Thema ist ja so komplex, dass man da schon einen Fachanwalt für braucht :). Aber vermutlich findet sich im worst case für ihn immer noch ein Buddy, der ihn für einen Lohn unter der Pflichtversicherungsgrenze anstellt ;-).
@WPR_bei_WBS, den Weg in die GKV hat der Gesetzgeber ab 55 recht effektiv verschlossen. Da gibt’s nur wenige, kleine Schlupflöcher.
@Flo
Das Loch, eine abhängige Beschäftigung
unter der Pflichtversicherungsgrenze einzugehen ebenfalls?
Was bin ich froh, dass ich mir schon seit Teenager-Tagen sage „private evtl. gerne, aber nur als Zusatzversicherung – einmal aus der GKV raus, und Du kommst nicht mehr rein“. Auch wenn man mir damals (wohl zurecht) sagte „doch, doch, das geht“ hatte ich Gott sei Dank schon die Möglichkeit im Kopf, dass sich solche Regelungen auch andern können.
@WPR_bei_WBS, ja auch sich versicherungspflichtig anstellen lassen reicht nicht immer. Dann geht’s auch um die Frage wie man die letzten 5 Jahre versichert war. War man da komplett in der PKV gibt’s, so wie ich das verstehe, keine Chance.