Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

8. März 2021

Gefährlicher Unfug

Die scheinbar neutrale Anfrage einer Behörde oder eines Gerichts kann im Ernstfall zu einem Strafverfahren führen – gegen den Adressaten, aber auch gegen den Absender.

Kostenbeamte einer Justizbehörde verfügen über ganz besondere Eigenschaften. In vielen Fällen sind sie die Ursache für schlechte Laune. Nur manchmal haben ihre Schreiben Unterhaltungswert.

Diese offensichtlich unsinnige Anfrage an einen Rechtsanwalt jedoch bringt eine Gefahr mit sich.

Dem Bearbeiter dieser Post ist da vermutlich irgendwas durchgerutscht: Schnell ein paar Mausklicks und der Brief ist aus Textbausteinen zusammengebastelt, auch ohne Unterschrift gültig, eingetütet und nimmt über den Postausgang Kurs auf den Briefkasten des Verteidigers.

Die Forderung des Landes Hessen in Höhe von 0,00 € regt zum Schmunzeln an. Eine passende Reaktion darauf wäre vielleicht ein Ratenzahlungs- und Stundungsantrag. Oder die Übersendung eines Schecks über die Forderungssumme.

Angezapft wird

Der zweite Absatz des Schreibens allerdings hat es in sich. Solche Anfragen treten so oder in ähnlicher Form in anderen Zusammenhängen gar nicht so selten auf.

Die Justizbehörde oder auch das Gericht zapfen den Verteidiger gern einmal als Informationsquelle an. Oder versuchen es jedenfalls.

In diesem Fall geht es darum, dass die Behörde eine Forderung geltend machen und gegebenenfalls auch vollstrecken will. Dazu braucht sie Informationen, die dem Rechtsanwalt anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden sind.

Vorsicht Falle!

Teilt der Anwalt auf so eine Anfrage die ihm bekannte Anschrift seines Mandanten und dessen Geburtsdatum mit, schnappt die Falle des § 203 StGB zu.

Denn die Anschrift und das Geburtsdatum sind Geheimnisse im Sinne dieser Vorschrift und dürfen allenfalls mit Zustimmung des Mandanten herausgegeben werden, § 43 a Abs. 2 BRAO, § 2 Abs. 1 BORA. Gibt der Rechtsanwalt diese Daten also auf Anforderung ohne diese Zustimmung weiter, geht er das Risiko ein, nicht nur berufsrechtlich belangt, sondern sogar bestraft zu werden, wenn sein Mandant die Verletzung von Privatgeheimnissen zum Anlass eines Strafantrags (§ 205 StGB) nimmt.

Will man den jetzt in Bezug auf den Kostenbeamten aufkommenden Gedanken auf die Spitze treiben, kommt einem schnell der § 26 StGB in den Sinn. Für den bei der Anstiftung notwendigen subjektiven Teil reicht der bedingte doppelte Anstiftungsvorsatz grundsätzlich aus.

Angemessene Reaktionen

Auf diese unsinnige Anfrage wird der Kollege nicht antworten, sondern dorthin befördern, wo auch sonstiger Unrat landet.

Stehen jedoch ernsthafte Begehren der Verwaltung oder eines Gerichts in Rede, sollte ein Rechtsanwalt sehr deutlich reagieren und Auskunftsbegehren robust zurückweisen.


Dank an Rechtsanwalt Christian Wolf, Frankfurt am Main für die Anregung zu diesem Blogbeitrag
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5 Kommentare

  • JLloyd sagt:

    Die in §203 normierte Diskretion sollte für Anwälte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein – ich bin erstaunt, dass dieser Aspekt in diesem Beitrag nicht zum ersten Mal wiederholt wird. Vielleicht sucht es die Gegenseite nicht ohne Grund den Weg über den Kostenbeamten, denn diesen mag ein Anwalt nicht grundlos mit einer Strafanzeige wegen Anstiftung verärgern.

  • Ein sehr gelungener Beitrag! Das sollte dennoch für jeden Anwalt selbstverständlich sein. Mit freundlichen Grüßen

  • Schnorchel sagt:

    Das ist doch eine Frechheit.

  • ct sagt:

    Kommt ganz drauf an, würde ich sagen. Handelt es sich um eine berechtigte Forderung und ist der Mandant auch willig, diese zu begleichen, kann die Mitteilung einer neuen Anschrift im Rahmen der sachgerechten Mandatsbearbeitung angezeigt sein. Im Zweifel sollte man sich natürlich beim Mandanten rückversichern, wenngleich das – nach meiner praktischen Erfahrung – häufig auf Unverständnis stößt: „Natürlich, teilen Sie die Anschrift mit!“

    • Nicht nur „im Zweifel“ sollte ein Anwalt seinen Mandant fragen, ob er Mandatsgeheimnisse weitergeben kann. Sondern grundsätzlich *immer*. crh
  • ct sagt:

    Nein. „Im Zweifel“ ist schon richtig. Wenn eine Information ohne irgendeinen Zweifel herausgegeben werden darf, kann man das natürlich ohne Weiteres tun. Nichts anderes bedeutet das Wort. Richtig ist natürlich, dass es meistens Zweifel gibt.