Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

19. April 2021

Mein Brief an den Mandanten

Steuern zu sparen ist nicht in jedem Fall empfehlenswert. Es sei denn, man ist darauf aus, neben einem Steuerberater auch noch einen Steuer- und Wirtschaftsstrafverteidiger zu beauftragen.

Ein Mandant bittet mich, meine Rechnung für seine Verteidigung in einer (privaten) Strafsache „auf seine Firma“ auszustellen. Also statt „Verteidiger-Vergütung“ möchte er lieber Honorar für „allgemeine Beratung“ seines Unternehmens leisten.

Ich habe mir die Zeit(*) genommen, ihm ein paar Zeilen zu schreiben, die ich hier wiedergeben möchte.

Sehr geehrter Her Mandant.

Es kann sein, daß ich berufsbedingt im Laufe der Jahre (Jahrzehnte?) vorsichtiger, vielleicht übervorsichtig geworden bin bei und mit der Begehung von Straftaten. Aber lassen Sie es mich, das Milchmädchen, kurz erklären.

Es geht hier um einen Betrag von 700 + 133 Euro, 833 Euro gesamt.

Wenn ich die Rechnung wie gewünscht ausstellen würde, hätten Sie die Gelegenheit des Vorsteuerabzugs i.H.v. 133 Euro. Angenommen, Ihnen ginge es wirtschaftlich seeeehr gut und die verbleibenden 700 Euro werden zu Betriebsaufwendungen „gemacht“, könnten Sie mit einer Steuerersparnis von – sagen wir mal – 40%, das sind 280 Euro, rechnen. Insgesamt steht hier also eine „Ersparnis“ iHv 413 Euro zur Rede. Bei einem Steuersatz von 20% kämen am Ende gar nur 273 Euro herum.

Der Inhalt der *gewünschten* Rechnung stimmt nicht mit dem Inhalt der *tatsächlich* erbrachten Leistung überein, die Rechnung wäre „unrichtig“. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber eine Rechtsnorm geschaffen:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] unrichtige oder unvollständige Angaben macht, […] und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

§ 370 Abgabenordnung (AO)

Wir müssen also abwägen: Eine mögliche Steuerersparnis iHv 273 bis 413 Euro gegen das Risiko eines Steuerstrafverfahrens mit empfindlicher Strafe (und hohen Verteidigerkosten! ;-)).

Nebenbei:

Ich schreibe hier bewußt „wir“, da ich an der Steuerhinterziehung zumindest als Gehilfe beteiligt wäre.

Ok, Sie werden (vielleicht vor dem Hintergrund einiger Erfahrungen) einwenden, das Enddeckungsrisiko sei gering. Dem kann ich meine Praxis als Strafverteidiger entgegen halten. Ich kann Ihnen abendfüllende Geschichten von ganz häßlichen Steuerstrafverfahren erzählen, an denen ich als Verteidiger beteiligt war …

Und:

Bei mir schlägt die Finanzverwaltung alle paar Jahre auf und prüft meine Bücher. Seit Beginn meiner Selbständigkeit als Strafverteidiger waren das bereits 4 solcher Außenprüfungen (die alle ohne Steuerstrafverfahren abgeschlossen wurden!). Die Rechnung eines Strafverteidigers, der einen Unternehmer in einer Sache berät, die mit Straftaten auch entfernt nichts zu tun haben kann … das könnte für einen Finanzbeamten durchaus spannende Fragen aufwerfen … die ich dann nicht unbedingt freiwillig wahrheitsgemäß beantworten möchte.

[ironie](**)
Sehr geehrter Herr Wilhelm Brause, ich habe keine Probleme damit, eine Wirtschaftsstraftat zu begehen. Wenn es sich denn lohnt! Das bedeutet, ich fange an zu überlegen, wenn wir hier über 7- oder 8-stellige Beträge reden. Dafür kann ich mir auch ein paar Jährchen in Tegel vorstellen. Aber – bitteschön – für 273 oder 413 Euro sollten wir beide nicht unseren guten Ruf risikieren. Das lohnt einfach nicht!
[/ironie]

Ich hoffe, Sie bringen ein wenig Verständnis für meine Position auf, wenn ich, der Pathologe, Sie davor bewahren möchte, im Rahmen einer Verteidigung gegen den Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, eine Straftat zu begehen.

(*) Diesen Beitrag habe ich bereits im August 2012 veröffentlicht; das Thema ist aber nach wie vor aktuell.
(**) Diese Kennzeichnung als Ironie dient den Bloglesern, die die Unterhose auf dem Kopf tragen, als Hinweis darauf, dass das, was ich dort schreibe, ironisch gemeint ist. Entende?

Bild von Rudy and Peter Skitterians auf Pixabay

10 Kommentare

  • Schnorchel sagt:

    Ich kenne das und mich wundert immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit die Leute so etwas machen bzw. von der Gegenseite einfordern. Ich bin wahrlich kein großer Freund des Finanzamts (wann haben diese undankbaren Leute sich das letzte Mal bei mir bedankt? Noch nie!), aber mich wundert es deshalb überhaupt nicht, dass und wie misstrauisch die Finanzbehörden teilweise sind. Selbst bei solchen kleinen Beträgen wird völlig unnötig und (mir) unverständlicherweise versucht, den Staat um sein mehr oder weniger zustehendes Geld zu bringen. Warum? Was soll der Quatsch?

    Ich bin vollends überzeugt, dass wir alle locker 30-40 % weniger Steuerlast hätten, würden einfach alle ihre Steuern ordnungsgemäß bezahlen. Der Staat würde nur so schwimmen in Geld.

  • Patenter Anwalt sagt:

    @Schnorchel: Das würde ich bezweifeln! Die würden das Geld schon ausgeben…

    Ich bin aber immer wieder überrascht, wie oft ich (vor Corona) im Restaurant – offensichtlich mit Frau und Kindern – gefragt worden bin, ob ich einen Bewirtungsbeleg benötige. Ich kann mir keinen anderen Zweck, als das Herbeiführen einer unzulässigen Steuerverkürzung, vorstellen. Und da reden wir über deutlich kleinere Beträge!

  • W204 sagt:

    @Patenter Anwalt: Echt? Ich bin immer überrascht, wenn ich im Restaurant keine Rechnung, sondern nur ne sogenannte Zwischenrechnung erhalte… Die man gegebenenfalls dann wieder aus der Kasse ausbuchen kann. Da zahle ich dann immer mit Karte…

  • Patenter Anwalt sagt:

    @W204: Woran erkenne ich denn eine „Zwischenrechnung“??

  • Roadrunner sagt:

    @Patenter Anwalt

    Ganz einfach, es steht drauf. „Zwischenrechnung – Keine Rechnung“ oder so ähnlich ist da üblich. Genauso wie die nach wie vor händische geschriebenen Fresszettel.

    Gewiss, es ist natürlich nicht gesagt, dass das hinterher nicht doch sauber gebucht und letztendlich versteuert wird, aber gerade wenn ganz bewusst dem Gast eine Zwischenrechnung in die Hand gedrückt wird, dann merkt das keiner.

    Gerade in der Gastronomie kommt man da bisweilen ohne nennenswertes Entdeckungsrisiko durch, zwischen den Ausgaben für den Wareneinkauf und dem Endpreis liegen da regelmäßig 300% und mehr, bei Getränken ist sogar noch mehr üblich. Nimm eine 2l Flasche „Hauswein“, kostet im Einkauf 5€ und schreib sie als Glasbruch ab. Kann niemand das Gegenteil beweisen und plausibel ist es auch, sowas kommt in der Gastro regelmäßig vor. An den Gast wird das Zeug für, sagen wir mal 3€ pro Achtel verkauft, kannst also rund 40€ Gewinn am Fiskus vorbeischleusen. Und das nur bei einer Flasche Castello Migraeno.

    Hier fällt was runter und muss entsorgt werden, da wird mal was schlecht, dort musste etwas weggeworfen werden, weil die Qualität überraschenderweise nicht passte oder man hat sich beim Einkauf vertan, Ab- und Anschnitte waren halt mal etwas größer… musst es schon massiv übertreiben, dass da überhaupt mal jemand genauer hinschaut.

    Selbst eine Registrierkassenpflicht (in Deutschland ultimativ in allen Fällen erst ab 2023 Pflicht, bei neuen bzw. umrüstbaren Systemen erst seit drei Wochen) nützt da wenig, wenn das nicht auch kontrolliert wird. Dass so etwas geht hat man die letzten Jahre in Griechenland gesehen. Da wurden eine zeitlang vor Lokalen die Gäste gefragt, ob sie eine ordentliche Rechnung bekommen haben. Seitdem wird da sklavisch drauf geachtet, dass jedem Gast eine korrekte Rechnung hingelegt wird.

  • Schnorchel sagt:

    @Patenter Anwalt: Die praktische Straflosigkeit von Haushaltsuntreue ist natürlich eine andere Geschichte. Ich persönlich zähle Politiker, die Steuern in der Weise veruntreuen, wie es ständig geschieht, auch zu Steuerhinterziehern.

    Aber ich denke es ist durchaus so, dass Steuerhinterziehung massiv im Kleinen stattfindet und meiner Meinung nach mit einer Selbstverständlichkeit, die so weit geht, dass vielen noch nicht einmal bewusst ist, dass strafbar ist, was sie da gerade tun.

    Weil das kein Mensch überprüfen kann, ohne die Rechte aller erheblich einzuschränken oder diese mit ständigen Steuerprüfungen zu belästigen, bleibt die Erkenntnis, dass am Ende der Steuerehrliche der Blöde ist, weil er indirekt auch noch das hinterzogene Zeug der anderen mitbezahlt.

  • Patenter Anwalt sagt:

    @Schnorchel:
    Einerseits ja, Steuerhinterziehung findet massiv im Kleinen statt.
    Andererseits kenne ich viele „Kleinverdiener“ die keine Steuererklärung abgeben (und nicht müssen), weil sie schlicht die Formulare nicht verstehen und damit einfach überfordert sind; und das hat nichts mit dumm zu tun! Ich habe für eine Bekannte die Steuererklärungen für alle Jahre zurück gemacht, bei denen es noch ging. Sie hat pro Jahr ca. 150 Euro zurück bekommen. Und solche Menschen gibt es viele! Da bereichert sich wiederum der Staat ungerechtfertigt!

  • MinkyMietze sagt:

    Jaja, die vielen kleinverdienenden „Steuersünder“! Gaaaanz schlimm. Sorry aber solange multinationale Konzerne ganz legal Milliardengewinne mit Peanuts vesteuern dürfen, bin ich nicht bereit über Leute zu reden, die mal eine Bewirtungsquituung zu viel einreichen!
    Schönen Tag noch.

  • Max sagt:

    Ergänzend zu „Patenter Anwalt“:

    Gerade als kleines Unternehmen ist man oft in der Situation, dass man zwar Anrecht auf (durchaus erhebliche) staatliche Zuschüsse hat, diese aber nicht wahrnimmt (wahrnehmen kann), weil die damit verbundene Bürokratie so endlos komplex ist. Für die Beantragung bräuchte man einen Experten (Juristen, Steuerberater oder sonstiges), dessen Honorar den zu erwarteten Zuschuss wieder vollständig auffressen würde. Also verzichtet man, der Staat spart Geld. Da ist der Gedankengang vieler kleiner und mittlerer Unternehmer „Wenn ich da schon dem Staat Geld schenke (durch Verzicht auf Ansprüche), kann ich zum Ausgleich auch etwas weniger Steuern zahlen“ im Ansatz durchaus nachvollziehbar. Ein realer Schaden ist dem Staat dabei nicht entstanden. Trotzdem ist es (aus gutem Grund) verboten.