Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

13. Juni 2022

Weinseliger Rat

Wenn ein Strafverfahren am Ende gut ausgegangen ist, ist es ratsam, mit der Sache endgültig abzuschließen.

Ich hatte den Auftrag, einen Kollegen zu verteidigen. Er ist von einer Mandantin, die er familienrechtlich beraten und vertreten hatte, angezeigt und beschuldigt worden, sie falsch beraten und zu hohe Rechnungen (§ 352 StGB) geschrieben zu haben.

Die Verteidigung war nicht besonders aufwändig, am Ende aber erfolgreich: Das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, …

… da nach den durchgeführten Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht.

Quelle: Einstellungnachricht der Staatsanwaltschaft

Der Kollege war sehr erleichtert, denn der Vorwurf, die eigenen Mandanten abgezockt zu haben, hat gegebenenfalls auch massive berufsrechtliche Konsequenzen.

Seiner Erleichterung folgte sogleich der Gedanke an das Einspannen der Pferde für eine Retourkutsche:

Eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung würde mich schon reizen.

Quelle: Der Mandant

Nicht nur, weil ich aus grundsätzlichen Erwägungen heraus keine Strafanzeigen schreiben möchte, habe ich ihm davon abgeraten. Und damit der Familienrechtler diesen Rat auch umsetzt, habe ihm meinen Rat auch begründet:

Die „falsche Verdächtigung“ ist ein Offizialdelikt. Wenn die Staatsanwaltschaft angenommen hätte, dass Ihre Mandantin die Strafanzeige gegen Sie vorsätzlich falsch erstattet hätte, wäre daraus bereits ein Ermittlungsverfahren entstanden.

Der Umkehrschluss könnte lauten: Ihre Strafanzeige würde an der Einschätzung der Rechtslage wahrscheinlich nichts ändern, macht Arbeit und bringt weiteren Frust.

Oder noch schlimmer: Das Verfahren geht los, Frau St. würde angeklagt, Sie werden als Zeuge vor Gericht geladen, von ihrem Verteidiger gegrillt und am Ende wirft das Gericht einen Freispruch raus. Als Bonus dann vielleicht noch ein Ermittlungsverfahren gegen Sie wegen des Verdachts einer uneidlichen Falschaussage …

Vor dem Hintergrund dieser an die Wand gemalten Teufel gestatte ich mir den Rat: Ärgern Sie sich noch ein einziges Mal über jenes Mandat, trinken Sie gemeinsam mit Ihrer Frau eine gute Flasche Wein darauf und vergessen dann das Ganze.

Ich rechne damit, dass er diesem Rat – zumindest, was den Verzicht auf die „Gegenanzeige“ angeht – folgen wird. Tote sollte man ruhen lassen …

Image by Alexander Fox | PlaNet Fox from Pixabay

3 Kommentare

  • Johnny sagt:

    Interessehalber: was sind die grundsätzlichen Erwägungen, aus denen heraus Sie das Stellen/Schreiben einer Strafanzeige ablehnen?

    • Kurz und knackig: Ich bin Verteidiger, kein Angreifer. crh
  • Daniel sagt:

    Klingt nach einem Infinite Anzeigen Loop Bug: Anzeige wegen falscher Verdächtigung gegen den ehemaligen Mandanten. Dieser wird freigesprochen und zeigt wieder Ihren Mandanten an… usw…

  • Pascal Mellen sagt:

    Habe ich ein Deja Vu oder habe ich den Blogeintrag schon mal hier gelesen?