Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

31. August 2020

Einen guten Platz im Himmel

Es ist nicht so einfach, an anderer Leute Geld zu kommen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Einige Menschen versuchen es trotzdem, auch wenn sie damit heillos überfordert sind.

Betrug setzt Intelligenz voraus, die nicht überall in ausreichendem Maße vorhanden ist.

Hier folgt nun die Geschichte eines aufwändigen, gescheiterten und reichlich dummen Betrugsversuchs.

Der erste Kontakt über Twitter

Nur zufällig und aus einer durch einen Grauburgunder bedingten guten Laune heraus habe ich mich auf ein Projekt eingelassen, das via Twitter an mich herangetragen wurde.

Die mir bis dahin unbekannte Frau Weimer Damüs (@DamusWeimer) schickte mit eine Direktnachricht:

Die Dame hatte neben Damüs und Fernández noch weitere Namen. Im weiteren Verlauf unserer umfangreichen Korrespondenz hieß die Dame dann Carine Dabire.

Ein Anwalt und Bankdirektor

Ihr Anwalt Christelle Dumas hatte auch noch einen Nebenjob, den er über den Twitter-Account der Frau Damüs bekannt gab:

Aber der spielte dann keine Rolle mehr, weil ich der Carine mitteilte, dass ich zu Rechtsanwälten kein Vertrauen hätte.

Keine 700.000 Euro per Western Union

Ich habe Carine gebeten, die annoncierten 700.000 Euro an mich ganz einfach via Western Union zu schicken. Aber sie hatte einen anderen Vorschlag: Ich solle mich per eMail an reuscarter657@gmail.com bei ihr melden.

Über diese eMail-Adresse bekam ich dann diese und alle weiteren Informationen:

Ich bin Frau Regina Garcia Ich bin deutscher Staatsangehörigkeit, aber ich lebe zurzeit in Frankreich, aber meine Krankheit erlaubt mir nicht, in Frieden zu leben. Ich bin 49 Jahre alt. Ich möchte, dass Sie jemandem, der es ernst meint, mein Erbgeschenk geben Die Intuition führt mich zu Ihnen, wenn Sie sich besser präsentieren können

370 eMails

Das war eine der ersten eMails; insgesamt finden sich rund 370 weitere eMails in dem Ordner, in dem ich die Korrespondenz gesammelt habe.

Ok, ich hätte es kürzer haben können, aber ich habe mir gedacht: Solange sich Carine sowie ihre Anwälte und Bankdirektoren mit mir beschäftigen müssen, können sie keinen anderweitigen Unsinn machen.

Meine Angaben zur Person

Aus nachvollziehbaren Gründen wollte Carine meinen Namen, meine Anschrift und meine Bankverbindung haben. Kein Problem:

Wilhelm Brause Rudolf, Seidelstr. 39, 13507 Berlin

Psst: Bitte mal die Postanschrift der JVA Tegel recherchieren. Auf deren Website findet sich auch eine passende Bankverbindung. 😉

Auf die verlangte Kopie meines Ausweises hat sie verzichtet, als ich schrieb, dass ich diesen verloren habe.

Das Testament

Damit hatte ich fast alle Voraussetzungen erfüllt. Jetzt sollte ich nur noch das vorgefertigte Testament mit einem Foto von mir bekleben, unterschreiben und zurückschicken. Das war schnell erledigt:

Psst: Solche und vergleichbare Passfotos generieren Computer, zum Beispiel zur Erstellung von Wahllichtbildvorlagen. Ein Selfi, das ich im Gegenlicht vor dem Schweriner Stadtschloss auf dem Fahrrad sitzend gemacht habe, wollte sie nicht akzeptieren.

Ich habe später den gleichen Vordruck (versehentlich) noch einmal bekommen, darin war die Summe von 830.000 Euro vorgesehen. Das war aber kein Problem, wir haben uns dann auf die Aufstockung um die 130.000 Euro geeinigt.

Der Bankdirektor

Nun meldete sich ein Bankdirektor. Das war der Herr Bernard Emile Morel. Aufmerksame Leser haben schnell gemerkt: Der Herr war auch der Anwalt, der das Testament unterzeichnet hatte.

Wir konnten das später klären: Das war ein Versehen. Emile ist nur Bankdirektor, kein Anwalt.

Mit Emile hatte ich dann im weiteren Verlauf zu tun. Er teilte mir mit, dass er der Chef der Bank sei, die das Vermögen von Carine verwaltet. Das sei die BNP Paribas. Irgendwann schrieb er noch, er sei der Direktor der BRED Banque Populaire. Auf meine – irritierte – Nachfrage versicherte er mir, das seien zwei Namen für dieselbe Bank. Ok, er muss es wissen, schließlich ist er ja der Chef.

Das Überweisungsformular

Dann bekam ich eine eMail von betinagizem23@gmail.com, die mir mitteilte, es sei nun alles vorbereitet für die Überweisung der 700.000 Euro auf das von mir angegebene Konto.

Hallo Herr, mein Name ist BETINA GIZEM, ich bin der Direktor von BRED BANQUE de France  Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass ich für die Überweisung des Erbes von 700.000,00 € verantwortlich bin, das Frau CARINE DABIRE Ihnen auf Ihr Bankkonto anbieten möchte.
  Die Spenderin Frau CARINE DABIRE hat bereits alle Ihre Bankdaten übermittelt und ich habe gerade das Überweisungsformular ausgefüllt.  Herr, um mit der Erbschaftsübertragung in Höhe von 700.000,00 € nach Zahlung unserer Übertragungssteuer fortzufahren.  Das Überweisungsformular hat einen Wert von 595 € und Sie zahlen, bevor die Bank mit der Überweisung der Überweisung von Donor CARINE DABIRE auf Ihr Bankkonto fortfährt.
  Vielen Dank für Ihr Verständnis und hier ist das Bestellformular für Ihre Überweisung.

Die Steuergebühr

Also alles ganz einfach: Ich soll nur die 595 Euro überweisen und dann bekomme ich die 700.000 Euro.

Auf meinen naheliegenden Vorschlag, die 595 Euro von den 700.000 Euro einfach abzuziehen, wollte der Banker nicht eingegehen. So sind die Banken eben: Machen immer alles zu kompliziert.

Bevor die Bank mit der Überweisung an Ihre Bank beginnt, müssen Sie die von der Bank angeforderten Steuergebühren bezahlen, damit die Überweisung nach Angaben der Bank innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden kann.

Ich habe zugestimmt und versichert, dass ich ganz bestimmt und ehrlich bereit sei, die 595 Euro zu überweisen.

Der Zahlendreher

Nach drei oder vier Nachfragen, ob ich denn wirklich überweisen möchte, erhielt ich die Bankverbindung von GIOVANNI C* bei der italienischen Postbank mit der BIC: PPAYITR1XXX.

Es hat dann weitere 10 oder 20 Nachfragen gegeben, ob ich die Überweisung denn wirklich losgeschickt hätte. Emile, der Direktor, arbeitete deswegen auch am Samstag und Sonntag, um mit mir diese Korrespondenz zu führen. Irgendwann am Dienstag habe ich ihm dann die Kopie meines Überweisungsvordrucks geschickt.

Bei der Überweisung muss mir dann ein Fehler unterlaufen sein (der Klassiker eines jeden Kleingeld-Betrügers: Der Zahlendreher 😉 ). Jedenfalls habe ich Emile darüber informiert, dass die 595 Euro wieder zurückgekommen seien.

Der zweite Versuch

Prompt erhielt ich eine neue Bankverbindung.

Name: SIMONE  M*
IBAN: DE0611010100********
BIC: SOBKDEBBXXX     
Bank: Solarisbank
Land : Germany

Irgendwie hat es aber auch mit der Überweisung auf dieses Konto nicht funktioniert. Das mag vielleicht daran gelegen haben, dass ich die Solarisbank zuvor ausführlich informiert hatte.

Das Verbindungsproblemkonto

Jedenfalls erhielt ich die Information, dass ich demnächst eine weitere Bankverbindung genannt bekommen werde:

Gute Nacht Herr Ich möchte Sie darüber informieren, dass die Überweisung der Zahlung, die Sie letzten Samstag überwiesen haben, heute Dienstag wahrscheinlich auf dem Konto aber aufgrund von Verbindungsproblemen hier in unserer Bank bearbeitet werden soll, damit die Überweisung der Zahlung erfolgt dass Sie gesendet haben, konnte nicht gut verarbeitet und auf unserem Bankkonto empfangen werden. Ich bitte Sie daher erneut, die Überweisung der Zahlung zu überprüfen. Sie werden in der Tat feststellen, dass die Überweisung nicht verarbeitet werden konnte. Dann wird Ihr Geld immer noch zurückgegeben 595 € auf Ihrem Konto, damit Ihr Geld noch auf Ihrem Konto ist, und ich werde Ihnen erneut eine andere Kontonummer senden, unter der Sie die Überweisung derselben Zahlung von 595 € an andere Bankdaten, die ich Ihnen senden werde, wiederholen oder fortsetzen Herr ….. Es tut mir sehr leid für die Unannehmlichkeiten dieses Verbindungsproblems, die Schäden beim Senden der Überweisung verursachen, die Sie nicht bearbeiten konnten, also werde ich es tun Bitte wiederholen Sie die gleiche Überweisung für diese neuen Bankdaten unten … Vielen Dank für Ihr Verständnis

Der dritte und letzte Versuch

Der dritte Versuch sollte dann auf ein Konto bei der Noris Bank gehen:

Name: RENATE M*-F*
IBAN:DE80 1007 7777 ******
BIC: NORSDE51XXX
Bank : NORISBANK
Land: GERMANY

Das hat aber dann aus anderen Gründen nicht mehr geklappt.

Die Bankmitarbeiterinnen inkognito

Auf meine Nachfrage teilte mir Emile mit, dass seien alles Mitarbeiterinnen der BRED bzw. BNP. Als ich erwiderte, die drei hätten mir telefonisch(!) mitgeteilt, dass Gionvanni Baggerfahrer, Simone Kassiererin bei Aldi und Renate selbstständige Architekten seien, beruhigte mich Emile: Es sei den Mitarbeitern verboten, auf Anruf mitzuteilen, dass sie bei der Bank arbeiten.

Die kranke Carine

In der Zwischenzeit (ich rede hier von mehreren Wochen) konnte ich auch noch klären, dass Carine deutsche Staatsbürgerin sei, die erst in Frankreich gelebt und dann ganz plötzlich nach Kanada abreisen musste, um dort ins Krankenhaus zu gehen.

Der freundliche Arzt

Leider könne sie mir aus Kanada keine Kopie ihres Passes schicken, den habe sie in Frankreich liegen lassen müssen. Sie sei mit dem Pass ihrer Schwester aus der EU aus- und nach Kananda eingereist. Der eMail-Account „Reus Carter reuscarter657@gmail.com„, den sie für die Korrespondenz nutzt, gehöre ihrem Arzt.

Der französische Pass

Ausserdem solle ich nicht so viele Fragen stellen. Ein paar Tage später kam dann doch noch eine Kopie des Passes:

Ein abgelaufer fränzösischer Pass einer Französin, die im Nordwesten Frankreichs lebt(?).

Nicht witzig

Es kam, wie erwartet. Ich bin in Ungnade gefallen. Statt der versprochenen 700.000 bzw. 830.000 Euro erhielt ich eine Absage:

Herr, das ist ein Witz, den Sie mit mir machen, denn jedes Mal, wenn Sie mir sagen, dass Sie die Überweisung nicht vornehmen, senden Sie mir nur eine vorbereitete Überweisung. Füllen Sie nur die Informationen des Empfängers aus, aber nicht Aus diesem Grund sehe ich, dass Sie mit mir spielen und ich nicht mit den Leuten zu tun habe, die Witze spielen, weil ich meine Zeit nicht verschwende. Ich bin ein Mann der Zeit und meine Zeiten sind teuer.

Vielen Dank für alles und bitte schreiben Sie mir bitte keine weiteren Nachrichten.

Dieser abschließenden Bitte habe ich entsprochen. Auch habe ich keine weiteren eMails mehr von Emile, Carine oder sonstwem in dieser Sache bekommen.

Bemerkenswert ist noch: Die Gruppe hat die Contenance bewahrt und ist nicht ausfallend geworden, als sie bemerkt haben, dass sie betrogen wurden. Das möchte ich Emile und Carine zugute halten.

Nicht geschickt

Aber: Ich habe im Laufe meiner fast zweieinhalb Jahrzehnte langen Tätigkeit als Strafverteidiger eine stattliche Anzahl an Mandanten gehabt, die eigentlich neben ihrer Strafe auch ein paar Sympathien verdient hätten. Es waren Betrüger dabei, die sich ganz tolle Tricks haben einfallen lassen, mit denen sie – besonders die gierigsten Menschen (aka: Steuerhinterzieher und Schwarzgeldanleger) – über den Löffel balbieren konnten.

Aber vor diesem Volk hier, das auf die allerbilligste Art und dumm wie ein Meter Feldweg im Département Aisne einen Riesenaufwand betreibt, um lumpige 595 Euro zu ergauern, habe ich keinerlei Respekt. Einfach nur doof.

Danksagung

Wer auch immer hinter dieser Carine-Emile-Truppe steckt: Euch sei gedankt für die gute Unterhaltung, den Einblick in Eure armseligen Bemühungen, ohne Arbeit an das Geld anderer Leute zu kommen, und für das Material zu diesem Blogbeitrag.

Falls ein Staatsanwalt hier mitliest

Die knapp 400 eMails (samt deren Header) kann ich gern zur Verfügung stellen. Und dann Toitoitoi für die Ermittlungen der hinter diesen Namen und eMail-Adressen stehenden Personen. Einzig mit den Namen der Kontoinhaberinnen ließen sich etwas anfangen. Nur eine kleine Bitte: Vergessen Sie den § 103 StPO, kommen Sie in friedlicher Absicht und gern auch spontan auf einen Caffè vorbei; ich bin vorbereitet. 😎

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5 Kommentare

  • Schnorchel sagt:

    Ohh, Sie haben die Liebe am Scam-Baiting gefunden! Spätestens beim Namen „RENATE Mother-Facker“ wäre ich jedoch hellhörig geworden!

    Ich werde mich immer an den amerikanischen Scambaiter Butch Driveshaft und seinen Anus-Laptops-Computerladen erinnern. Er hat über Monate mit diesen Geschäftsleuten zusammengearbeitet, die für Hunderte von Dollar, natürlich erst nach Zahlung per gefälschtem Überweisungsbeleg, die 40 Laptops freundlicherweise durch UPS abholen haben lassen. Die waren dann jedoch sogar noch so dreist und behaupteten, defekte Waschmaschinen und zerschlagene Röhrenbildschirme bekommen zu haben.

  • martin sagt:

    3 Sachen:
    – ein legendärer Scambaiter hat es in einer ähnlichen Aktion mal geschafft, 2 Euro (o. s. ä.) von den Betrügern zu erlangen. Er hatte mitgeteilt, das braucht er für ein Passbild oder so was, und die haben es dann freundlicherweise vorgestreckt.
    – der Bericht liest sich sehr ähnlich wie entsprechende Aktionen in TITANIC; Zufall?
    – jetzt ist mir klar, warum hier in den letzten Wochen die Beitragsfrequenz etwas runtergegangen ist 😉

  • RA Schepers sagt:

    Der Blogbeitrag wäre noch viel amüsanter und unterhaltsamer gewesen, hätten Sie die 595,- € überwiesen.
    😉

  • Norbert sagt:

    Wenn es jemand interessiert, auf der Seite scambaiter.info stehen viele lustige Briefwechsel mit Scammen, sowie Fotos, Urkunden usw. Man darf auch gerne mitspielen.

  • Rocky sagt:

    Kennt jeder, der auch mal aktuelle Technologie bei Ebay-Kleinanzeigen eingestellt hat.
    Innerhalb von 6 Stunden hatte ich etwa 5 fertige Überweisungsformulare diverser Banken mit meinen Daten vorliegen, die alle nur auf Freigabe gewartet haben, sollte ich doch die Express-Trackingnummer meines Versanddienstleisters durchgeben.

    Auch ca. 80 Hinweise, dass ich keine Objekte verschicke bevor das Geld tatsächlich bei mir eingegangen ist halfen da nicht.