Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

12. Januar 2022

Korruption: Schwergewichtiges Strafrecht

Der Vorwurf der Bestechlichkeit führt zu einem der kompliziertesten Verfahren, die vor den Wirtschafts-Strafkammern geführt werden. Denn der Vorwurf korrupt zu sein, bleibt in der Regel nicht der einzige.

Diesmal ist es die Bayerische Motoren Werke AG, die von einem ihrer Manager geschädigt worden sein soll. Das Handelsblatt berichtete am 05.01.2022:

Die Staatsanwaltschaft München hat einen ehemaligen leitenden BMW-Angestellten wegen Untreue und gewerbsmäßiger Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr angeklagt. Der 51-Jährige soll von 2007 bis 2015 bei der Auftragsvergabe an Unternehmensberater mehr als 2,4 Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben.

Bereits anhand dieser knappen Beschreibung des Anklageinhalts ist erkennbar, dass es hier an das Eingemachte des Strafrechts geht.

Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr

Der § 299 Abs. 1 StGB, der die Folgen der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr regelt, erscheint einem strafrechtlichen Laien noch einigermaßen übersichtlich. Geht man hier aber einmal unter die Oberfläche, stößt man sehr schnell auf erhebliche Probleme, wenn es um die Subsumtion eines komplexen Sachverhalts geht, der sich in einem Wirtschaftsunternehmen zugetragen hat.

Untreue

In dem Zeitungsartikel ist dann noch die Rede von dem Vorwurf einer Untreue. Spätestens hier ist man an einer Vorschrift angekommen, die in Theorie und Praxis zu den schwierigsten Strafrechtsnormen überhaupt gehört. Der § 266 StGB öffnet die Tür zu komplexen Fragestellungen, die in zahlreichen Gebieten des Zivil- und Verwaltungsrechts angesiedelt sind. Strafverfolger, Strafverteidiger und Strafrichter haben Respekt vor den Tatbestandsvoraussetzungen, die ihnen schon als Jurastudenten schlaflose Nächte bereitet haben.

Und das ist bei weitem noch nicht alles, was mit einem solchen Anklagevorwurf verbunden ist oder sein kann. Mir sind die Details jenes Verfahrens gegen den BMW-Manager nicht bekannt. In den Fällen, in denen ich verteidigt habe, spielten stets noch weitere Tatbestände eine überaus gefährliche Rolle.

Urkundenfälschung

Es werden oft zur Dokumentation von Geschäftsvorfällen Papiere oder Dateien hergestellt, die den tatsächlichen Lebenssachverhalt unrichtig wiedergeben. Solche Handlungen werden dann unter die Tatbestände der §§ 267 ff StGB, der Urkundenfälschung, gefasst. Und auch diese Strafnormen haben es in sich, wenn man die Tatbestandsvoraussetzungen bei Lichte betrachtet.

Steuerhinterziehung

Wenn sich der Vorwurf der Bestechlichkeit bestätigt und der Angeklagte tatsächlich 2,4 Millionen Euro „Schmiergeld“ erhalten hat, wird er sicherlich diese Beträge nicht bei seinen Steuererklärungen angegeben haben. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft – regelmäßig in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Steuerfahndung – wird ihm vorwerfen, eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Über die sogenannte Blankettnorm des § 370 AO geht es dann hinein in die Tiefen des Steuerrechts. Der Gedanke an eine Hinterziehung von Einkommensteuer ist naheliegend, aber auch die Umsatzsteuerhinterziehung ist in diesem Zusammenhang ein relevantes Thema.

Sonstiges Strafrecht

Denkbar ist, dass noch ein paar weniger gewichtige Vorwürfe aus dem allgemeinen Kriminal- oder Nebenstrafrecht hinzukommen. Entscheidend sind dann die Details und was davon die Staatsanwaltschaft für „werthaltig“ erachtet oder über § 154 StPO einstellt.

Vermögensabschöpfung

Und wenn das alles erst einmal durchdekliniert ist, kommen die Fragen der Vermögensabschöpfung hinzu. Die seit dem 1. Juli 2017 intensiv angewandten Vorschriften sollen ermöglichen, die aus Straftaten erlangten Erträge zu ermitteln, sicherzustellen, zu verwalten und schlussendlich einzuziehen. Auch insoweit haben die drei am Verfahren beteiligten Schwarzkittel, deren Assistenten und Wirtschaftsreferenten alle Hände voll zu tun.

Anforderungen an die Strafverteidigung

Ich habe in einigen solcher Verfahren erleben müssen, wie Mitangeklagte von hochqualifizierten Rechtsanwälten verteidigt wurden, deren Kompetenzen im Familien- und Erbrecht, im Wirtschafts- und Steuerrecht oder im jahrelangen gemeinsamen Tennisspielen mit ihren Mandanten hatten. Das sind dann die Kollegen, die sich an solchen Verfahren, in denen es vordergründig „nur“ um Korruption geht, gehörig verhoben haben.

Sehr viel gelernt habe ich in Verfahren bei den Wirtschaftsstrafkammern von den spezialisierten Wirtschaftsstrafverteidigern, die die Grenzen ihrer eigenen Kompetenzen kennen und sich deswegen des Beistands z.B. von Steuerrechtlern, HOAI- und VOB-Spezialisten, Medizinrechtlern usw. bedienten.

In dem Fall, den das Handelsblatt hier schildert, ist es bereits zur Anklageerhebung gekommen. Die meiste Arbeit für die Ermittlungsbehörde und für die Verteidigung wird jedoch bereits vorher angefallen sein; im Ermittlungsverfahren werden die Weichen gestellt. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass die Angeklagten jetzt noch – also noch Anklageerhebung – unbeschadet aus dem Verfahren herauskommen. Bereits die Hauptverhandlung mit mehreren Terminen pro Woche und das möglicherweise über viele Monate ist aber unbeschadet des Ausgangs – Freispruch, Verurteilung, Einstellung – schon Strafe genug. Eine professionelle Begleitung – und zwar so früh wie möglich – wäre also auch aus diesem Grunde empfehlenswert.

Image by Jonas Fehre from Pixabay

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