Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

18. Dezember 2022

Ein Orden für das Dealen am Hochreck

Wenn Richter, Staatsanwälte und Verteidiger ihr Handwerk verstehen, können Ergebnisse erzielt werden, die weit über die Grenzen eines Strafprozesses hinaus eine positive Wirkung entfalten.

Der gestohlene Schmuck aus dem Grünen Gewölbe in Dresden sei wieder aufgetaucht. So liest man es an diesem Wochenende allenthalben in den Medien.

In den ersten Meldungen am Samstag sah es noch nach einem Such-Erfolg der Polizei aus. Im Stundentakt änderte sich die Perspektive hin zu einem genialen Move der Beteiligten des Strafverfahrens gegen die Angeklagten vor dem Landgericht Dresden.

Laut Bericht des Spiegel vom 18.12.2022, 08.58 Uhr, sollen die Verteidiger von Rabieh Remo mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Erörterungen (§ 257b StPO) über eine mögliche Verständigung (§ 257c StPO) geführt haben. Wer die Initiative zu diesen „Dealgesprächen“ hatte, geht aus der Berichterstattung nicht hervor; alle Beteiligten hätten die entsprechenden Motive dazu.

Motive für die Verständigung

Die Justiz, insbesondere die Staatsanwaltschaft, wird es begrüßen, den Schmuckliebhabern aus Dresden und der Welt das Geschmeide wieder zurückgeben zu können. Die Richter dürfen stolz sein darauf, dass es in ihrem Prozess durch ihre Verhandlungsführung zur Schadenswiedergutmachung gekommen ist.

Aber das stärkste Motiv wird der Angeklagte, der 29-jährige Rabieh Remo, haben. Ich kenne die Anklage nicht, aber die grundsätzliche Straferwartung für den hier wohl vorliegenden schweren Bandendiebstahl nach § 244a StGB liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren.

Reduzierte Strafzumessung

Einerseits ist mit dem Deal nach § 257c StPO bereits ein Strafnachlass verbunden, setzt er doch in der Regel ein Geständnis voraus:

Das Geständnis des Angeklagten ist der Dreh- und Angelpunkt des Abspracheverfahrens, weil es weitere Beweiserhebungen entbehrlich macht, die Hauptverhandlung abkürzt, die Juristen von Verantwortung entlastet und als aussichtslos angesehene Rechtsmittel verhindert.

BeckOK StPO/Eschelbach, 45. Ed. 1.10.2022, StPO § 257c Rn. 20

Über den dicken Daumen eines Milchmädchens gibt es für ein Geständnis einen Nachlass in Höhe von 30 % (wovon auch immer), sagen die langjährig erfahrenen Strafjuristen.

Die Mitteilung, wo sich die Beute verbirgt, bzw. die Rückgabe der Schmückstücke führt dann zu einem zusätzlichen Rabatt, den § 46 StGB vorsieht:

Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: […] sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen …

§ 46 Abs. 2 StGB

In der Summe wird dies für eine erhebliche Entfernung der Freiheitsstrafe weg vom oberen Rand sorgen und sich hin in die Richtung der Zweijahresgrenze des § 56 Abs. 2 StGB bewegen (insbesondere dann, wenn die Verteidigungsstrategie (Rücktritt, Beihilfe …) im Übrigen fruchtet). Die Strafaussetzung zur Bewährung wird dann sicherlich Thema in der Mandantenbesprechung gewesen sein.

Gutes Ergebnis

Was auch immer da im Hintergrund gelaufen sein mag – die Familie des Angeklagten soll da auch noch eine Rolle gespielt haben: Das Ergebnis dieses Verfahrens ist bereits vor dessen Ende ein Beleg für professionelles Arbeiten der an diesem Strafprozess beteiligten Protagonisten. Dafür haben sie sich einen Orden verdient.


2 Kommentare

  • Das Ich sagt:

    Hmm, ich verdiene mit keinen Orden wenn ich meinen Job einfach nur richtig mache. Das impliziert den Verdacht, dass der Großteil der Strafverteidiger ihn meistens falsch machen ..wenn man dieses Ergebnis hier so feiert. Und einen Deal aushandeln gibt meines Erachtens nur falsche Signale an solche Kriminellen, denn dann heißt es bei denen dann : mach mal den Raubzug, wenn sie dich kriegen gib das halt zurück und dann bekommst du nur wenig Strafe. Denn in die andere Richtung denkt das Gesetz anscheinend nicht, dass man sagt: okay wir wissen dass du es getan hast und dann gibt es eben noch einmal fünf Jahre oben drauf wenn du nicht sagst wo das ist. Aus der Sicht der vielen nicht Kriminellen, ist das natürlich ein bisschen unverständlich. Nur damit Richter , Staatsanwälte und Anwälte entlastet werden. VG, aber schön dass es mal wieder einen Artikel von ihnen gab , ich wünsche schon jetzt einmal frohe Feiertage

  • Gerd Oichnixohn sagt:

    Die alternative Sichtweise wäre, dass der Gesetzgeber das bereits im Strafrahmen mit berücksichtigt hat. Wer seine Beute behält und auch sonst alles zur Verschlimmerung beiträgt, kriegt nach dem Willen der Legislative halt die maximalen 10 Jahre.

    Wo ist im Endeffekt der Unterschied zwischen: „Für diese Tat gibt es 5 Jahre und dann nochmal 5 oben drauf für’s Behalten der Beute.“ und „Für die Tat kriegst du 10 Jahre, aber für das Rausrücken der Beute ziehen wir 5 Jahre ab.“?

    Allgemein scheint es so zu sein, dass die Höhe von Strafen weniger abschreckend wirkt als deren konsequente Verfolgung und Aufkärung. Was irgendwie auch intuitiv Sinn macht: Plane ich eine Straftat, gehe ich ja erstmal davon aus, dass ich damit durchkomme. Denn rechne ich damit, dass ich erwischt werde, modifiziere ich den Plan solange, bis ich glaube (ob berechtigt oder nicht), dass ich nun aber sicher vor den Strafverfolgern bin. Und wenn ich das glaube, kann mir die Strafhöhe egal sein. Betrifft mich ja nicht mehr, ich habe meinen superschlauen Plan!

    Wenn Diebe also regelmäßig erwischt und verurteilt werden (selbst wenn die Strafen nicht so hoch ausfallen), dann muss ich damit rechnen, auch erwischt zu werden. Kriegen sie dagegen nur alle Jubeljahre mal einen Dieb in die Finger und hacken ihm dann gleich die Hände ab… naja, das war halt die eine Ausnahme. Der Kerl hatte eben Pech. Wird mir schon nicht passieren. Im Straßenverkehr sterben auch ab und zu mal Leute, schreckt aber auch praktisch niemanden ab.

    Das Problem ist halt, dass man für hohe Aufklärungsquoten auch ausreichende, kompetente und gut ausgestattete Strafverfolger braucht (was Geld kostet), während sich Strafen sehr billig erhöhen lassen. Gesetze sind ja letztlich nur bedrucktes Papier. Entsprechend sind die politischen Anreize da etwas… suboptimal.

    Auch ich wünsche allen hier ein Frohes Fest und guten Rutsch!