Rechtsanwalt Hoenig

Das Weblog des Strafverteidigers

22. Mai 2020

Angaben zur Selbstbelastung

Im Strafverfahren sind Angaben zur Sache freiwillig; Angaben zur Person hingegen müssen gemacht werden. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos und uneingeschränkt.

Freiwillig: Keine Angaben zur Sache

Gegenüber den Ermittlungsbehörden muss ein Beschuldigter grundsätzlich keine Angaben zur Sache machen; er kann sich durch Schweigen verteidigen.

Dieses Recht beruht auf dem (Verfassungs-)Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit. Zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens sollte ein Beschuldigter stets konsequent Gebrauch von diesem Schweigerecht machen.

Pflicht: Angaben zur Person

Anders sieht es aus bei den Angaben zur Person; diese müssen gemacht werden, und zwar zutreffende. Das kann aber im Einzelfall zu erheblichen Problemen führen.

Welche Informationen müssen die Angaben zur Person umfassen?

Diese Frage beantwortet § 111 OWiG:

Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit

Jedes einzelne Merkmal kann jedoch dazu führen, dass sich der Beschuldigte dadurch selbst belastet.

Verpflichtet § 111 OWiG zur Selbstbelastung?

Zwei einfache Beispiele:

  • Wenn gegen einen Beschuldigten wegen Bigamie (§ 172 StGB) ermittelt wird, belastet er sich selbst, wenn er wahrheitsgemäß angibt, er sei verheiratet.
  • Bei Straftaten, die nur durch einen Ausländer begangen werden können, führt die wahrheitsgemäße Angabe der Staatsanhörigkeit durch einen … sagen wir … Canadier zur Belastung.

In Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen ist es unübersichtlicher: Allein die Angabe des Beschuldigten zu seinem Beruf, er sei Geschäftsführer oder Vorstand der im Fokus der Ermittler stehenden Gesellschaft, kann zu heftigen Konsequenzen führen.

Ein weiteres Problemfeld eröffnet sich für Beschuldigte, wenn eine strafrechtliche Verurteilung (oder gar schon ein Ermittlungsverfahren) zu beruflichen Nachteilen führen kann: Das klassische Beispiel ist der Beamte, den neben einem Strafverfahren stets ein Disziplinarverfahren erwartet. Das bringt oft deutlich nachhaltigere Konsequenzen mit sich als ein Strafurteil.

Was ist empfehlenswert?

Die knackige Methode ist auch bei den Fragen zur Person erst einmal die Antwort schlicht zu verweigern. Falsche Angaben machen nur die ganz hart Gesottenen. Das führt dann im schlimmsten Fall zu einem Bußgeldverfahren, bringt aber vergleichsweise verschmerzbare Folgen mit sich.

Die milde Alternative besteht in einer Umschreibung des eigentlichen Berufs. So könnte der Geschäftsführer wahrheitsgemäß angeben, Kaufmann zu sein. Der Beamte, der auf Hochzeiten im Seniorenchor singt, ist auch Musiker. Der bloggende Strafverteidiger mit Presseausweis darf zutreffend den Beruf des Journalisten zum Besten geben.

Bei ernsthaften Ermittlungen ist das alles selbstredend kein wirksamer Schutz vor einer Verurteilung bzw. vor den beruflichen Nachteilen. Es ist jedoch ratsam, die Chance, dass die Ermittlungen insoweit nichts Nachteiliges ergeben, erst einmal zu nutzen.

Praktischer Hinweis für überraschende Ermittlungen

Steht morgens um 6 Uhr eine Gruppe Polizeibeamter mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür, kann man ihnen den (Personal-)Ausweis geben, damit das Gespräch mit den Ermittlern sofort wieder beenden und (s)einen Strafverteidiger anrufen.

Anhörungsbögen sollte man erst nach Rücksprache mit dem Verteidiger ausfüllen und zurückschicken.

Der Teufel steckt also manchmal im Detail; dann ist es gut, wenn man entweder Detailkenntnis hat, oder jemanden kennt, der sich auskennt.


Bild von Robert Fotograf auf Pixabay

8 Kommentare

  • Kristina sagt:

    Von welcher Stelle bekommt man denn als bloggender Strafverteidiger einen Presseausweis?

    • Diese Frage habe ich bereits 2012 beantwortet. 😉 Es gibt Alternativen … crh
  • Daniel Roß sagt:

    Endlich wieder aktiv. Das Warten hat sich gelohnt. Schöne neue Webseite.

  • WPR_bei_WBS sagt:

    Juhu, wieder Blog :).

    Zum Thema: Ich finde die „oder“ interessant, ist mir vorher nie aufgefallen. Ich könnte also anstatt „Musterstadt, Muster. 1“ auch „Musterstadt, Deutscher“ angeben, um der Verpflichtung genüge zu tun? Oder anstatt mein Geburtsdatum anzugeben, nur sagen „in Pusemuckel“ ?

  • Johannes sagt:

    Er ist wieder da <3

  • Olli sagt:

    Zum Beruf: ist Beruf nicht das, was man erlernt hat? Ob nun formell mit Abschluß (Dipl.-Kfm.) oder im Selbststudium (Musiker)?
    Gibt es für Geschäftsführer und bloggende Strafverteidiger überhaupt berufsqualifizierende Ausbildungen/Abschlüsse?

    • „Bei der Angabe des Berufs ist der gegenwärtig ausgeübte anzugeben, also derjenige Beruf, der derzeit zur Bestreitung des Lebensunterhaltes dient oder jedenfalls dienen kann.“
      (Zitiert nach KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl. 2018 Rn. 46, OWiG § 111 Rn. 46) crh
  • Der einzig wahre Peter Schuster sagt:

    Logisch zu Ende gedacht: In der Praxis weiß man doch gar nicht, was die Ermittler bereits wissen und mit welcher Angabe zur Person man sich ggf. belastet. Wenn die z.B. ermittelt haben, dass der Täter den Namen „Peter Schuster“ hat (aber sie wissen nicht, *welcher* Peter Schuster), dann belaste ich mich bereits mit der Namensnennung und erst recht der Übergabe des Persos.

    Aber woher will ich das wissen? Ganz streng genommen dürfte ich überhaupt erst zu meiner Person antworten, wenn mein Anwalt die Ermittlungsakte eingesehen hat. In der Praxis vermute ich mal schwer, dass kein Richter mir das im OWi-Verfahren durchgehen lassen würde. Wo kämen wir denn da hin?

  • Daarin sagt:

    @WPR_bei_WPS:
    Leider ist es anders herum. Die Formulierung ist nicht „Man muss angeben“ sondern „Wer nicht angibt“, also bedeutet das Oder hier, dass man es eben gerade alles angeben muss (wenn es gefragt wird).